Beschreibung
Das Geheimnis gespeicherter Zeit Dies ist in tieferem Sinn nicht bloß ein zweisprachiger Gedichtband. Zwei Dichterinnen, Dagmar Dusil und Ioana Ieronim und dann von neuem Ioana Ieronim und Dagmar Dusil, wechseln, einander ergänzend, mit ihrer menschlichen und poetischen Sprache ab, rebellieren gemeinsam und jede für sich in ihrem eigenen linguistischen und metaphorischen Original, aber auch in dessen Spiegelbild in der Übersetzung, in einem Tandem kräftiger und verblüffender Zärtlichkeit, Melancholie, Wut. Ihre Poesie stellt sich dem Tod, der diesmal, wie in einem Gedicht von Dagmar Dusil, eine Krone trägt. Ioana Ieronim lebt in Rumänien, aber auch in den USA. Sie ist die starke und sensible Autorin zahlreicher Gedichtbände schon aus jener Zeit, als Dichtung, nach den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, ein existenzieller Schild geworden war. Dieser Schild verteidigt die Fragilität des Wesens, das den mit einem schadhaften Thermostat ausgestatteten Beiläufigkeiten des diktatorischen Eindringens in die Welt des Individuums ausgesetzt ist. Ioana Ieronims Karriere ist der Aufriss des Sieges kulturell gefestigter Empfindsamkeit durch scheue Selbsterkenntnis, durch souverän einwandfreie Übersetzungen aus Werken zahlreicher deutscher und US-amerikanischer Dichter und insbesondere durch alle möglichen Versuche des denkenden Schilfrohres, durch Lektüre den Zufall zu übertrumpfen, durch den sorgsamen Umgang mit der Sprache und den Leiden des anderen, im Namen der jeweils siegreichen Poesie. Wir treffen Ioana Ieronim jetzt unter dem kalten, unverwechselbaren Neonlicht im Wartesaal der Intensivstation in dem von Covid 19 gebeutelten Amerika, in dem zerdrückenden Resonanzkasten der Stille ,zögernder tektonischer Platten". Wenn Blaga vor Zeiten die Ewigkeit in der Stille des Dorfes zu hören meinte, so vernimmt die Dichterin heute bloß die Stadt in der Schwebe und die gestoppte Zeit, unbeweglich vor dem eingefrorenen Monitor. "Schalt' aus / Start' neu." Obwohl weder Orte noch Lebewesen beim Namen genannt werden oder mit anderen Identifikationsbezeichnungen versehen sind, stellt uns die Dichterin in das Zentrum einer paradoxerweise kräftigen und verletzlichen Welt - das ist, nicht wahr, das eigene Universum des Dichters. Doch in diesem Fall steht die emsige Wachsamkeit einem bedrohlichen, aber auch ausweichenden Feind gegenüber. Es ist nicht die Pest, die in Florenz wütet und Boccaccios Erzähler zwingt, ein rettendes Refugium zu wählen, um den Tod in Schach zu halten. Es ist auch nicht der Krieg, dessen Vorahnung, dessen Erleben oder dessen unmittelbare Folgen, die zum Tagebuch bei Erich Kästner oder Ernst Jünger führen, auch nicht die beschimpfte Genialität des metaphysischen Verbrechens in der "Todesfuge" mit direkten, unerträglichen Beschreibungen, wo die Metapher, sei sie auch erdrückend, vor der aggressiven Realität verstummt. Jetzt ist die Zeit unserer Welt, bekannt und unbekannt, unmittelbar und distanziert, wild, aber auch gezähmt, eine Welt, die stets auf namenlose Katastrophen wartet, die wir sowohl vorbereitet als auch wiederholt haben, unter uns das Sicherheitsnetz. Jetzt schickt Corona seinen Schatten über zwei Lebewesen, die es nicht vertreiben können, aber ihm mit ihren Worten die Stirn bieten. Sie umkreisen es, sie krönen es ihrerseits mit der Metapher der belagerten Einsamkeit, die seit eh und je stark und ohnmächtig ist. Dagmar Dusil ist eine unverwechselbare Schriftstellerin. Geboren in Hermannstadt, ist sie Deutsche und in Rumänien aufgewachsen, wo sie ihre poetische Sensibilität kultiviert hat. Bei der Umsiedlung nach Deutschland ging sie in die eigene Topografie der deutschen Kultur und Sprache über. Sie kehrt immer wieder aus Bamberg nach und zu Hermannstadt zurück durch Bücher poetischer Erinnerungen, ganz gleich, ob sie über Straßen, Plätze, Fenster oder städtische Geselligkeit schreibt: Restaurants, Aromen, Düfte, frühere und aktuelle Namen der Straßen. Zum Unterschied von Ioana, deren Wohnort, da s
Autorenportrait
Dagmar Dusil wurde in Hermannstadt (Siebenbürgen) geboren. Sie studierte Anglistik und Germanistik an der Babes-Bolyai-Universität Cluj-Napoca. Seit 1985 lebt sie in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist in zahlreichen Anthologien vertreten. Zahlreiche Veröffentlichungen u.a. Transitschatten, gedichte, Blick zurück durchs Küchenfenster, Kulinarisches Heim- und Fernweh, Hermannstädter Miniaturen, Wie die Jahre verletzen, Auf leisen Sohlen. Annäherungen an Katzendorf., So is(s)t Hermannstadt, Looking Back Through the Kitchen Window, und R. G. Waldeck: Athénée Palace. Hitlers "Neue Ordnung" kommt nach Rumänien (Aus dem Amerikanischen von Dagmar Dusil und Dr. Gerlinde Roth). Dagmar Dusils Texte wurden ins Rumänische und Englische übersetzt. Sie ist Mitglied der GEDOK Franken, der internationalen Autorenvereinigung DIE KOGGE, der Künstlergilde Esslingen sowie des Exil-Pen-Clubs. 2017 wurde sie mit dem Dorfschreiberpreis Katzendorf ausgezeichnet.