Beschreibung
Was schulden wir einander? Wie sieht die Gegenseitigkeit aus, die uns gesellschaftlich zusammenhält? Udo Di Fabio, Gesine Schwan, Ludger Honnefelder, Robert Leicht und Nils Ole Oermann fragen aus juristischer, theologischer und philosophischer Perspektive nach der Einstellung, der Verpflichtung und der Haltung des einzelnen Bürgers gegenüber dem Staat und nach dem, was genau der Staat seinen Bürgern schuldet. Denn die Floskel von den Rechten und Pflichten des Individuums und des Staates ist für eine Antwort wenig hilfreich. Udo Di Fabio betont, daß Gegenseitigkeit vor allem die Funktion hat, zwischen Freiheit und Gleichheit zu vermitteln. Ihr Tauschprinzip gilt nicht nur in der Wirtschaft, sondern hält alle Arten von Gemeinschaften zusammen - als Loyalitäts- und Beistandserwartung, als Rechtsprinzip, als Gerechtigkeitsidee. Der Grad an Überzeugungskraft dieser Idee hängt dabei von Anschaulichkeit und Überschau- barkeit ab: Je anonymer die Zusammenhänge, desto weniger überzeugend das Gegenseitigkeitsargument. Darum gibt es im modernen Staat aus seiner Sicht Gegenseitigkeitsverhältnisse mit Tauschverantwortung nicht primär zwischen klar abgrenzbaren Personengruppen oder Ständen, sondern vor allem zwischen den Bürgern unter sich bzw. zwischen ihnen, ihren Familien und dem Staat. Staatlich verordnete Gruppenverantwortungen grenzen hingegen oftmals an Beliebigkeit und zersplittern die Gesellschaft in ein vormodernes Ensemble von Gruppen und Interessenverbänden. Wie aber, fragt Gesine Schwan, ist dann politisches Handeln über Familienverbände hinaus legitimierbar und im Sinne von good global governance politisch gestaltbar? Welche Rolle spielt ein impliziter Gesellschaftsvertrag im Verhältnis zum gesellschaftlichen Ethos (Ludger Honnefelder)? Und welche Bedeutung haben Solidarität (Robert Leicht) und Toleranz (Nils Ole Oermann), um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen? Und: ist all das tatsächlich schon alles, was wir einander schulden?