Beschreibung
Erwerbsarbeit scheint in westlichen Industrieländern immer knapper zu werden. Zugleich wächst ihre Bedeutung für die Herausbildung persönlicher Identität. Die Autorinnen und Autoren gehen der Frage nach, welchen Einfluss die sich wandelnde Arbeitswelt auf die Berufsbiografien und die Lebensplanung einzelner Menschen - insbesondere Jugendliche - hat. Dabei zeigt sich, dass die individuellen Sichtweisen und Entscheidungen oft eigensinniger sind, als öffentlich kursierende Diagnosen es nahelegen.
Autorenportrait
Manfred Seifert, Dr. phil., ist Privatdozent für Europäische Ethnologie/Volkskunde an der Universität Passau. Irene Götz ist Professorin für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der LMU München. Birgit Huber, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut for Social Anthropology, Halle.
Leseprobe
In den letzten zwei Jahrzehnten unterliegen die Strukturen und Formen von Arbeit zunehmenden Veränderungen. Hierin wird ein fundamentaler Gestaltwandel der Arbeit von einem fordistischen Paradigma hin zu einem postfordistischen Paradigma diagnostiziert. Als Rahmenfaktoren dieses Wandels gelten die Globalisierung, die Deindustrialisierung und veränderte Managementkonzepte ebenso wie der breite Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken. Unter diesen Bedingungen entwickeln sich neue Arbeitsanforderungen, die auf eine Flexibilisierung und Subjektivierung der Arbeitsarrangements zielen. Im Blick des vorliegenden Bandes stehen diese aktuellen Veränderungen in den Arbeitswelten mit ihren Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation, die Einstellungen zur Arbeit und die lebensweltlichen Entwürfe der Erwerbstätigen. Der Band basiert auf den Referaten und Ergebnissen einer Tagung, die im Herbst 2005 unter dem Titel "Arbeitsleben und biografische (Um-) Brüche in der späten Moderne" von der Fachvertretung für Europäische Ethnologie/Volkskunde an der Universität Passau in Zusammenarbeit mit der Kommission Arbeitskulturen der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde veranstaltet wurde. Die Passauer Tagung wendete sich den Wechselwirkungen zwischen Arbeitswelt und Lebenswelt zu. Im Zentrum standen dabei die Berufsbiografien und die Formen der Lebensplanung in einer Gesellschaft, die zunehmend von Jugendarbeitslosigkeit, Flexibilisierungsforderungen und demografischer Alterung geprägt ist; in einer Gesellschaft, in der Arbeit (angeblich) knapper und demnach neu verteilt sowie durch politische und ökonomische Strategien und Konzepte als Wert und Ressource persönlicher Identität umgestaltet wird. Dementsprechend sollten die Herausforderungen für die Berufsbiografien und die Lebensplanungen der Arbeitenden intensiv erörtert werden: Wie begegnen die arbeitenden Subjekte dem Aufbruch der klassischen Normalarbeitsverhältnisse hin zu prekären und fluiden Formen aus ihrer Perspektive und mit Blick auf ihre biografischen Orientierungen? Und wie managen sie die zeitlichen, räumlichen und institutionellen Flexibilisierungen in ihrer Auswirkung auf die Arbeitsorganisation, die Einstellung zur Arbeit und die lebensweltlichen Konzeptualisierungen? Dabei sollten die spezifischen Kompetenzen und Stärken der Europäischen Ethnologie/Volkskunde zur Analyse des aktuellen Arbeitswandels in die Debatte eingebracht werden. Diese werden gesehen in einer subjektorientierten Forschungsperspektive unter Einschluss des lebensweltlichen Kontextes ebenso wie der historischen Dimension, die methodisch insbesondere in dichten biografischen und ethnografischen Zugängen verfolgt wird. Neben dieser fachlichen Forschungsperspektive trug ein breiterer Einbezug jüngerer Fachkollegen und Fachkolleginnen dazu bei, die Tätigkeit der Kommission Arbeitskulturen in deutlichem Kontext zu aktuellen Fachdiskursen und Forschungsprofilen des Faches Europäische Ethnologie/Volkskunde weiter zu entwickeln. Die Tagung stellte sich zur Aufgabe, die bisher vorliegenden Ansätze und Erkenntnisse zur subjektiven Verarbeitung und Gestaltung der neuen Arbeitsverhältnisse abzuwägen. Ausgehend von den Diagnosen einer Auflösung der bisherigen Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, der Genese eines neuen Arbeitnehmer-Leitbildes im Typus des "Arbeitskraftunternehmers" (Voß/Pongratz 1998) sowie der sozialpsychologischen Formierung der jenen Flexibilisierungen ausgesetzten Arbeitnehmer (Sennett 1998) sollten die verschiedenen Ansätze und Befunde aus den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie, der Psychologie und den Kulturwissenschaften verglichen und inhaltlich weitergeführt werden. Der Aspekt der personalen Bruchlinien im Kontext der biografischen Orientierungen bot einen geeigneten Ansatz, den Leistungen dieser Diagnosen im Hinblick auf umfassendere und längerfristige Auswirkungen auf die subjektiven Lebenskonzepte und Einstellungen zur Arbeit nachzuspüren, sich mit ihnen reflexiv auseinander zu setzen und sie zu ergänzen. Empirischen Studien auf der Mikroebene konnten hierzu über ihre Nähe zu den alltäglichen Lebenswelten konkrete Einblicke und Befunde bereitstellen, die geeignet sind, strukturelle und typisierende Diagnosen kritisch zu prüfen und zu differenzieren. Der lebensweltliche Ansatz verharrt dabei nicht auf der Mikroebene, sondern er bezieht die Makroebene gesellschaftlicher Strukturen (kapitalistisches Wirtschaftssystem, politische Entscheidungen und administrative Regelungen, Sozialstruktur) mit ein.
Inhalt
Vorwort Arbeitswelten in biografischer Dimension. Zur Einführung Manfred Seifert Lebensperspektiven im Gefolge sich wandelnder Arbeitsbedingungen Lokale und periphere Gemeinschaften als Rückzugsorte postfordistischer Lebensführung? Irene Götz Lebensplanung und Berufseinstieg von Jugendlichen. Zum Verhältnis von Zukunftsperspektiven und Wertorientierungen bei Jugendlichen einer Schweizer Schulklasse Michaela Heid No future. Marginalisierte Jugendliche ohne Arbeitsmarktchancen Diana Reiners Widerständigkeit der Biografie. Zu den Grenzen der Entgrenzung neuer Konzepte alltäglicher Lebensführung im Übergang vom fordistischen zum postfordistischen Arbeitsparadigma Klaus Schönberger Umgang mit flexibilisierenden Beschäftigungsformen "Transformationsgewinner" und "Transformationsverlierer". Möglichkeiten für Erfahrung und Lebensführung jenseits fordistischer Konditionierungen Birgit Huber Sabbatical. Die berufliche Auszeit als Bestandteil der spätmodernen Arbeitsbiografie Kerstin Pietsch Ich-AGs zwischen selbstbestimmtem Arbeiten und Prekarität. Zu Aspekten arbeitsmarktpolitischer Gründungsförderung und der Erwerbsform Alleinselbständigkeit Albrecht Witte "Wollte meinen Eltern zeigen, ich bin arbeiten gegangen, als Fabrikant zurückgekehrt". Türkische Unternehmer in Berlin Carina Großer-Kaya Deutungsmuster und Erzählstrategien bei der Bewältigung beruflicher Krisenerfahrungen Gerrit Herlyn Transformationserfahrung und Lebenszufriedenheit Was wurde aus der Arbeitsgesellschaft? Zwei arbeitskulturelle Problemlagen in Ostdeutschland Michael Hofmann Die alte Arbeit und ihr Ende. Erfahrungen aus zwei Systemen in den Schilderungen der Arbeitswelt ehemaliger Angehöriger der DDR-Automobilindustrie Sönke Friedreich Wissenschaftliche Arbeit im Wandel am Beispiel der DDR-Volkskunde nach 1989 Blanka Koffer Berufskarriere und Lebenszufriedenheit - psychologische Aspekte Petia Genkova Autorinnen und Autoren
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