In Theresa Pleitners Debütroman „Über den Fluss“ meldet sich eine junge Psychologin nach Studienabschluss als freiwillige Helferin in einem Geflüchtetenlager am Rande einer Großstadt. Schnell stellt sich bei ihr die Einsicht ein, wie wenig sie tatsächlich den Traumatisierten helfen kann – es raubt ihr den Schlaf und treibt sie in die Einsamkeit. Ihre Kollegin Ines hingegen ist pragmatischer und kompromissbereiter, manchmal auch unsensibel bis hin zur Abgestumpftheit. Die Figur zeigt erschreckend deutlich den Grundkonflikt zwischen Idealismus und Pragmatismus. Aber auch das gewaltvolle System der Bürokratie, die Menschen zu Fällen macht - ob sie nun Gäste genannt werden oder nicht - wird eindrücklich beschrieben. Ihre Rolle sieht unter anderem vor, Abschiebungen hinzunehmen und die Menschen notfalls zu entmündigen. Die Autorin hat selbst als Psychologin in einer Unterkunft für Geflüchtete geabeitet und der Roman schafft es deutlich zu zeigen, inwiefern das Helfen auch etwas Übergriffiges haben kann. "Über den Fluss" ist ein aufrüttelnder Roman über Retterfantasien, die Verstrickung in strukturellen Rassismus und moralische Dilemmata.