Vielleicht das beste Beispiel, warum „Kremayr&Scheriau“ mein Lieblingsverlag ist: meine große Liebe zur österreichischen Literatur wurde nämlich seinerzeit entfacht von Arthur Schnitzlers Novelle „Leutnant Gustl“. Ein Soldat auf Heimaturlaub fühlt sich im Theater fälschlich beleidigt und verlangt Satisfaktion. Und irrt danach wahnhaft, dargestellt im so genannten „inneren Monolog“, durch Wien. 120 Seiten, ohne ein einziges Satzzeichen. Am Ende: ein Punkt. So etwas kannte ich nicht, ich hatte Blut geleckt. Und habe in Folge alles von Schnitzler geradezu verschlungen, von „Fräulein Else“, über die „Traumnovelle“ (für alle Cineasten: Vorlage für Stanley Kubrick’s „Eyes wide shut“) bis hin, endlich, zum „Reigen“. Für mich persönlich Schnitzlers Meisterwerk, in dem er in zehn sich gegenseitig ablösenden erotischen Dialogen alle Facetten des Wiener Lebens um die Jahrhundertwende aufzeigt. Vom Stubenmädchen zum Ehegatten, von der Schauspielerin zum Graf schildert Schnitzler „die unerbittliche Mechanik des Beischlafs“ und sorgte seinerzeit (obwohl vom Autor nie zur Aufführung gedacht) für den bis heute größten Theaterskandal aller Zeiten. Immer noch ist es eines der meistgespielten Stücke an deutschen Bühnen und immer noch bildet es die Gesellschaft mit all ihren vorgespielten Moralvorstellungen und heimlich gelebten Begierden sehr treffend ab.
Umso toller also, dass Barbara Rieger mit „Reigen, RELOADED“ überhaupt nicht versucht, Schnitzler zu ersetzen oder zu erneuern, sondern, im Gegenteil, als eine Art Hommage sein Hauptwerk um heutige Stimmen zu ergänzen.
Anders als Schnitzler, der den „Reigen“ mittels zehn Dialogen dreht, holt sich Barbara Rieger Unterstützung von neun zeitgenössischen Autor*innen (darunter u.a. Angela Lehner, Daniel Wisser, Thomas Stangl und Bettina Balaka), die sich quasi den Stab übergeben und die moderne Verlorenheit des Individuums in der (sexuellen) Großstadt dem aus Schnitzlers Fin-de-siecle-Wien gegenüberstellen.
Und für alle, die sich nicht mehr ganz genau ans Wiener Original erinnern, gibt es als Zusatzbonus sogar den Ur-Text als Anhang!