Autorenportrait
Heinrich Mann, 27. 3. 1871 Lübeck - 12. 3. 1950 Santa Monica (Kalifornien). Der älteste Sohn eines Lübecker Patriziers und Kaufmanns (und Bruder Thomas Manns) ging 1889 vom Gymnasium ab und begann eine Buchhändlerlehre in Dresden, die er ebenso abbrach wie das anschließende Volontariat im Verlag S. Fischer in Berlin (1890-91) und Universitätsstudien. Nach dem Tod des Vaters (1891), der M. frei für seine literarischen Neigungen machte, siedelte die Familie 1893 nach München über. In den folgenden Jahren unternahm M. zahlreiche Reisen nach Frankreich und insbesondere Italien; hier hielt er sich längere Zeit auf, 1896-98 zusammen mit seinem Bruder Thomas. 1914-28 lebte er in München. Bei Kriegsbeginn 1914 kam es zum politischen und persönlichen Bruch mit Thomas Mann (Aussöhnung 1922). 1928 zog M. nach Berlin, 1931 wurde er zum Präsidenten der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste berufen. Nach der Machtergreifung ?oh er nach Frankreich (zunächst Sanary-sur-Mer, dann bis 1940 Nizza). Über Spanien und Portugal gelangte er in die USA, wo er sich im Großraum Los Angeles niederließ (zuletzt Santa Monica) und unter ?nanziellen Schwierigkeiten und persönlichen Katastrophen zu leiden hatte. 1949 wurde er erster Nationalpreisträger der DDR. Der Berufung zum Präsidenten der neuen Deutschen Akademie der Künste in Ostberlin konnte er nicht mehr folgen. Beherrschendes Thema seiner frühen Romanproduktion ist - direkt oder indirekt - die Auseinandersetzung mit der wilhelminischen Gesellschaft. Sie beginnt nach ersten Versuchen mit dem Roman Im Schlaraffenland, einer personen- und episodenreichen Kapitalismus-, Gesellschafts- und Literatursatire aus dem Berlin der 90er-Jahre. Auf andere Weise, durch die Rekonstruktion eines aus der Vergangenheit herbeigeholten ästhetizistischen Gegenbilds, äußern sich der antibürgerliche Affekt und die Abneigung gegen die wilhelminische Gegenwart in der Romantrilogie Die Herzogin von Assy. Fortsetzung und Höhepunkt der satirischen Auseinandersetzung mit dem Kaiserreich und seinem Militarismus bilden die Romane Professor Unrat (verfilmt 1930 u. d. T. Der blaue Engel) und Der Untertan (dessen Vorabdruck 1914 bei Kriegsbeginn abgebrochen wurde): glänzende Analysen dt. Kleinbürger- und Untertanengeistes und wilhelminischer Gesellschaftsstrukturen im Zeichen moralischen Verfalls. Den Untertan fasste er 1931 mit den Romanen Die Armen und Der Kopf zur Trilogie Das Kaiserreich zusammen. Auf der anderen Seite zeichnete M. in dem Roman Die kleine Stadt das utopische Gegenbild eines vielstimmigen, durch Kunst und Liebe in seiner Menschlichkeit bestärkten demokratischen Gemeinwesens (Th. Mann: ein hohes Lied der Demokratie). Daneben schrieb M. zahlreiche Novellen, die seine Aneignung der frz. Literatur unterstreichen (Gustave Flaubert, Alphonse Daudet, Guy de Maupassant). Seit 1910 entwickelte sich M. zu einem die politische Verantwortung des Intellektuellen betonenden Aktivisten, der sich an den Werten der Französischen Revolution orientierte und Emile Zola in einem Essay (in: Die Weißen Blätter, 1914) als Vorbild eines die Prinzipien der Moral verteidigenden Intellektuellen herausstellte. Damit wurde auch die Opposition gegen den Bruder deutlich, der M. wiederum als Zivilisationsliteraten denunzierte. Die kämpferische Haltung prägte auch M.s publizistisches und essayistisches Werk in der Weimarer Republik, in dem er für Demokratie, die Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland und das Zusammengehen von SPD und KPD angesichts der nationalsozialistischen Gefahr eintrat. Im Exil setzte er die publizistische Tätigkeit fort und suchte die Emigranten im Kampf gegen den Nationalsozialismus zu vereinigen. Das literarische Hauptwerk der Exiljahre ist der zweiteilige große historische Roman über den frz. König Heinrich IV., dessen Leben und Wirken, dessen Toleranz, Menschlichkeit und politische Visionen ein gegenwartsbezogenes wahres Gleichnis darstellen: Henri und die Macht der Güte (M.) wollen als Gegenbild zur faschistischen Bedrohung in der Gegenwart verstanden werden. Aus M.s Spätwerk ragt neben den Memoiren Ein Zeitalter wird besichtigt v. a. der erst postum gedruckte Roman Empfang bei der Welt (entst. 1941-45) heraus, ein geisterhaftes Maskenspiel, das die Epoche mit ihrer absterbenden Gesellschaft Revue passieren lässt. In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (UB 17664.) - © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung
Hersteller:
Philipp Reclam jun. Verlag GmbH
info@reclam.de
Siememststr. 32
DE 71254 Ditzingen