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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442546176
Sprache: Deutsch
Umfang: 224 S., 30 s/w Illustr.
Format (T/L/B): 2.2 x 19.3 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Allererste Klasse: Kaminer macht Schule! Was lernen seine Kinder eigentlich in der Schule? Das fragt sich Wladimir Kaminer schon länger. Nun weiß er es: Sie lernen Latein. Zumindest seine Tochter. Zumindest zeitweise. Zumindest zwei Worte: „Salve Papa!“ Damit ist Nicole mit ihrem Latein zwar bereits wieder am Ende, aber sie hat ja noch sieben Jahre Zeit bis zum passenden Abschiedsgruß. Inzwischen hat ihr Bruder bei eBay bereits einiges fürs Leben gelernt. Auf dem Schulhof versteigert er seine Lutscherbestände an den Meistbietenden, was dem stolzen Vater prompt eine Vorladung bei der Rektorin einbringt. Ja, man hat es nicht leicht als Erziehungsberechtigter in unserer Zeit. Aber Wladimir Kaminer tut sein Bestes, um dem Nachwuchs auf den rechten Weg zu helfen und erzählt auf hinreißend komische Weise von den Freuden des Familienlebens. Zu denen gehören neben dem Thema Schule auch das große Kaninchenprojekt, neue Interpretationen des Generationenvertrags, seltsame Mitbewohner, chaotische Kindergeburtstage und vieles mehr. Als Fazit bleibt dem Leser: „Populus gaudet et ridet“ – das Volk freut sich und lacht! Kinder, Chaos und Kaninchen: Willkommen in der Welt der Kaminers.

Leseprobe

Der Generationenvertrag Unsere Wohnung ist kaum mehr zu erkennen, die neue Generation ist hier seit einigen Jahren am Werk. Die Pokemon-Karten werden regelmäßig aus der Waschmaschine gefischt, im Kühlschrank steht Aquarellfarbe, unter meinem Tisch versammeln sich kaputte Flugzeuge und auf dem Fernseher liegt eine Scheibe Wurst, die auf die Katze wartet, wie meine Tochter es ausdrückt. Die Möbel werden laufend aufeinandergestellt, um die Höhepunkte der Wohnung zu besteigen. Außerdem baut mein Sohn derzeit gerne Brücken. Um seine täglichen Routen durch die Zimmer zu erleichtern, will er mit einem Bügelbrett das Tal zwischen dem Klavier und dem Sofa überbrücken, wobei jedem Erwachsenen beim Anblick dieser rutschigen Brücke sofort klar ist: Sie wird nicht halten. Abgesehen davon hat Sebastian auf dem Klavier nichts verloren. Wie kann ich ihm das erklären? Hier sollte eigentlich der Generationenvertrag in Kraft treten. Ich als belehrende Generation muss meiner moralischen und rechtlichen Verpflichtung nachkommen und der heranwachsenden Generation zurufen: Füße weg vom Bügelbrett, es wird nicht halten! Ich habe Erfahrung, ich war schon drauf, ich weiß es! Doch die heranwachsende Generation lehnt mein Wissen ab. Mit einer einzigen Handbewegung - 'Stopp, Papa! Ich muss jetzt selbst!' - fällt die heranwachsende Generation mit großem Knall vom Bügelbrett, und das bereits zum dritten Mal innerhalb einer Woche. Trotzdem wird der Generationenvertrag auch jetzt noch nicht akzeptiert. Die schlichte Erkenntnis, dass alles auf der Welt schon zig Mal von den Altvorderen geklärt wurde und in unzähligen Schriften, aber auch mündlich seit Anbeginn der Zeiten weitervermittelt wird - diese Tatsache wird nicht zur Kenntnis genommen. Jede Generation will alles aufs Neue klären, das von den anderen längst Erkannte noch einmal selbst herausfinden. Und wenn sie von anderen zu lernen bereit ist, dann ganz sicher nicht von den lieben Eltern. Von Skywalker und den Pokémons, von dämlichen Schulkameraden, später vielleicht von den bösen Jungs von MTV. Die, die uns lieben, können uns nicht erziehen. Sie sind dazu verdammt, uns zuzuschauen. Oft kann ich nur raten, woher meine Kinder ihre Befehle zum Brückenbauen und zu anderem Quatsch erhalten. Sie können das doch unmöglich alles selbst erfunden haben. War es eine versteckte Stimme aus dem Fernsehen, für Erwachsene nicht hörbar? Während Eltern denken, ihre Kinder würden dem plüschigen kinderfreundlichen Winnie Puh zuschauen, werden gleichzeitig auf hohen Frequenzen, die für normal gewachsene Ohren nicht wahrnehmbar sind, Informationen gesendet: 'Nehmt sofort das Bügelbrett und stellt es zwischen dem Sofa und dem Klavier auf. Steht es schräg? Sehr gut! Und jetzt draufklettern!' Und später, in der Pubertät, sagen andere Eltern, soll es sogar noch schlimmer werden. Der Generationenvertrag scheitert am Kommunikationsproblem. Manchmal ist es eine richtige Qual, in einer Welt zu leben, die ständig verbessert wird. Die Häuser werden modernisiert, Straßen neu asphaltiert, Kinos vergrößert, alles wird besser, nur man selbst nicht. Im Schulhort ist man anscheinend auch diesem Verbesserungswahn zum Opfer gefallen. Eine neue fortschrittliche Idee kursierte kürzlich in unserem Bezirk: Man beschloss, den Kindern für ein paar Monate ihr ganzes Spielzeug wegzunehmen. Dadurch, so lautete die Botschaft, würden sie gezwungen, wieder ihre Phantasie einzusetzen, mehr miteinander zu kommunizieren, neue Spiele zu erfinden, und letztendlich würden sie dadurch zu besseren Menschen. Die Kinder ohne Spielzeug durften dann zum Beispiel in der Küche nach einem Eimer oder Kochtopf fragen, und wenn sie den Pädagogen plausibel erklären konnten, wofür sie die Dinge brauchten, bekamen sie sie auch. Wäre ich ein Kind in einem solchen Hort, hätte ich wahrscheinlich als Erstes nach Streichhölzern und Benzin gefragt, um Revolution zu spielen. Die Idee der Spiele ohne Spielzeug brachte meine Tochter Nicole mit nach Hause. Zuerst spielten Leseprobe