Seebachs schwarze Katzen

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442735846
Sprache: Deutsch
Umfang: 286 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 18.8 x 11.8 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Der Spitzel, sein Sohn, dessen Geliebte und ihr Liebhaber Bert Willer fährt mit seinem Sohn eine Woche nach Teneriffa. Der Urlaub wird zum Desaster. Als der Sohn dem Vater die Urlaubsliebe ausspannt, kommt es beinahe zum offenen Konflikt. Dann findet der Sohn im Zimmer des Vaters geheime Akten. Stasiakten. Ist sein Vater ein gemeiner Spitzel? Und wer ist die Frau, die er anscheinend jahrelang vor der eigenen Familie verbarg? Ein Roman um Liebe und Verrat vor dem Hintergrund deutscher Geschichte.

Autorenportrait

Kathrin Schmidt, geboren 1958 in Gotha, arbeitete als Diplompsychologin, Redakteurin und Sozialwissenschaftlerin. Sie erhielt zahlreiche Preise, darunter den Leonce- und Lena-Preis. Ihr Roman "Die Gunnar-Lennefsen-Expedition" wurde mit dem Förderpreis des

Leseprobe

Wie diese Geschichte anfing, ist schwer zu sagen. Die Alte, die Fettvettel Zeit, hockte über dem Beginnen wie eine Bruthenne. Ließ sie nicht los. Der Auftakt verschob sich von Jahr zu Jahr, bis sie endlich, ungefähr neunzehnhundertachtundsiebzig, ins Rollen kam. Die Protagonisten waren um diese Zeit schon lange geboren. Bert Willer zum Beispiel wurde gerade achtzehn Jahre alt und in die Partei aufgenommen, die vorgab, Siegerin der Geschichte zu sein und die herrschende Rolle zu spielen im Lande. Im Rollenspiel war die Partei aber keineswegs bewandert, stümperte sich eins im scheinlinken Fach und trumpfte mit der Faust des Geheimdienstes auf, wenn ihr das Spielen verging. Bert Willer trumpfte zurück, er fuhr zwei Tage nach seiner Parteiaufnahme zum Wehrbezirkskommando im Grauen Berlins und erbot seine Mitwirkung in der Roten Armee der Sowjetunion für drei Jahre. Damit hatte er erst einmal ausgesorgt, die Genossen hielten ihn für blau. Grün hinter den Ohren. Gelb vor Neid auf die roten Soldaten oder schwarz im Herzen hinter weißer beziehungsweise hautfarbener Fassade. So bunt gepudert konnte er es sich leisten, auf dreijährigen Waffendienst in hiesiger Armee zu verzichten und trotzdem den gewünschten Studienplatz zu bekommen. 'Elender Zivilist!' schimpfte sein Vorgesetzter noch am letzten Tag seiner anderthalb Jahre. Wie oft hatte er unter der Dusche gestanden, sich selbst geholfen und an seine Freundin gedacht, die im Grauen Berlins ausharrte und ein wenig dicker wurde ohne die Ausflüge zu zweit mit dem Fahrrad in die schöne Umgegend, die heute wieder Brandenburger Land heißt. Wie früher schon einmal, als die alte Fettvettel noch nicht den Atem angehalten hatte über dem Osten. Im Westen ließ sie es sich weiterdrehen, das Rad der Historie, hier aber verpaßte sie ihm einen hübschen Stillstand unter der Glocke ihres Rockes. Mal sehen, dachte sie damals, wie lange das anhält. Und wirklich: Das Land gebärdete sich noch eine Weile, bäumte sich auf, wurde aber ruhiger und hielt irgendwann ganz still, um sie nicht aufzustören, die zundrige, plundrige Fettvettel Zeit über seinen Gefilden. Das war, als Bert Willer mit achtzehn Jahren in jene Geschichte eintrat, die hier zu verhandeln ist, deren Beginn aber schwer zu verorten bleibt angesichts der Umstände, unter denen sie begann. Unter dem Glockenrock der fetten Alten, im Grauen Berlins, das die rechte Kulisse abgab für solcherart Geschehen. Bert Willer also hatte sich eine Braut geangelt. Nicht schlecht. Daß sein Alter für solcherart Aktivität nach den Berechnungen der Jugendforscher seines Landes genau richtig war, wußte er. Wußte überhaupt eine Menge. Von den Ausgrabungen um die Harappan Civilisation im Indus-Tal wußte er und von den Dead Sea Scrolls von Qumran, aber daß sich hieraus für ihn Gutes ergeben könnte, hatte er abgehakt. Das war seine bescheidenste Aussicht: ein großer Wissenschaftler zu werden und dann unter dem Glockenrock hocken zu bleiben. Sich nicht messen zu können mit jenen, die das Weltniveau bestimmten. Festzusitzen. Was aber war das Weltniveau? Seine Vorstellungen davon waren noch klein und krumm und den Gürkchen nicht unähnlich, die in der guten Lausitzer Salzlake schwammen. Seine Braut, Lou Kummer mit den rötesten Haaren und der sommersprossigsten Haut seit Edwina, der Spielplatzfreundin, studierte an der Universität Mathematik, wovor er einen Heidenrespekt sein eigen nannte, und auch sie saß fest und litt ein wenig unter der Unlösbarkeit des Königsberger Brückenproblems. In der Einführung in die Kombinatorik hatte sie davon gelesen, hatte sich noch gewundert, daß es nicht Kaliningrader Brückenproblem hieß, aber dann war die Jahrezahl 1735 in ihr Bewußtsein aufgestiegen - jenes Jahr, in dem der Mathematiker Euler mittels Graphentheorie die Unlösbarkeit des Problems nachwies. Im Jahre 1735 gab es vielleicht Kalininsche Vorfahren, das schon, aber daß die Stadt einmal nach einem der Ihren, noch dazu einem verbrecherischen Exemplar der Gattung, heißen würde, war b Leseprobe