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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442738014
Sprache: Deutsch
Umfang: 168 S.
Format (T/L/B): 1.6 x 18.8 x 11.8 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

„Die fesselnde Trauerfeier einer verzweifelten Liebe, die ihren Ort in der Welt nicht finden wird.“ FAZ „Ein Meisterwerk voller Anmut, Melancholie und Schönheit.“ Neue Zürcher Zeitung „Ein bildgewaltiger, dicht gewobener und zuweilen hocherotischer Bericht über eine Reise und über Liebe ohne Nähe.“ 3Sat

Autorenportrait

Der Belgier Jean-Philippe Toussaint, geboren 1957, ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur und gilt als einer der größten Stilisten der französischen Gegenwartsliteratur. 1985 betrat er mit dem Kurzroman "Das Badezimmer" die literarische Bühne und

Leseprobe

Hört das denn nie auf mit Marie? Im Sommer vor unserer Trennung hatte ich ein paar Wochen in Shanghai verbracht, es gab dafür nicht wirklich berufliche Gründe, ich unternahm die Reise eher zu meinem eigenen Vergnügen, auch wenn Marie mich mit einem bestimmten Auftrag betraut hatte (aber ich habe keine Lust, auf Einzelheiten einzugehen). Am Tag meiner Ankunft in Shanghai empfing mich Zhang Xiangzhi, der sich vor Ort um die Geschäfte Maries kümmerte, am Flughafen. Ich hatte ihn zuvor erst einmal gesehen, in Paris, in Maries Büro, doch ich erkannte ihn sofort wieder, er unterhielt sich hinter den Schaltern der Paßkontrolle mit einem uniformierten Polizeibeamten. Er mußte um die vierzig sein, hatte rundliche Wangen, aufgedunsene Gesichtszüge, eine glatte, rötlichbraune Haut und trug eine sehr dunkle Sonnenbrille, die den oberen Teil seines Gesichts verdeckte. Beide warteten wir am Gepäckband auf meinen Koffer und hatten seit meiner Ankunft vielleicht gerade ein oder zwei Worte in schlechtem Englisch gewechselt, als er mir ein Handy überreichte. Present for you, sagte er zu mir, was mich in eine fürchterliche Verlegenheit brachte. Ich verstand nicht, warum es notwendig sein sollte, mich mit einem Handy auszustatten, einem gebrauchten Gerät, ziemlich häßlich, in einem stumpfen Grau, ohne Verpackung und ohne Bedienungsanleitung. Wollten sie mich ständig überwachen, wissen, wohin ich ging, mich nicht aus den Augen lassen? Ich weiß es nicht. Schweigend folgte ich ihm durch die Gänge des Flughafens und verspürte eine schwer faßbare Unruhe, die meine Müdigkeit nach der langen Reise und die Aufregung, in einer unbekannten Stadt anzukommen, noch verstärkten. Als wir die Glastüren des Flughafengebäudes hinter uns gelassen hatten, machte Zhang Xiangzhi ein lautloses, knappes Zeichen mit der Hand, und sofort fuhr ein nagelneuer, silbergrauer Mercedes vor und parkte in Zeitlupe vor uns ein. Während er den Chauffeur, einen jungen Kerl mit einer an Nichtdasein grenzenden Gegenwart, mein Gepäck verstauen und hinten einsteigen ließ, setzte er sich ans Steuer. Vom Fahrersitz aus winkte mir Zhang Xiangzhi zu, ihm Gesellschaft zu leisten, ich nahm also neben ihm auf dem bequemen, mit Armstützen versehenen Sitz aus cremefarbenem, nach neuem Auto riechendem Leder Platz, während er auf einem Touchscreen herumspielte und die Klimaanlage einschaltete, die sich langsam und vibrierend in Gang setzte. Ich reichte ihm den kartonierten Briefumschlag, den mir Marie für ihn mitgegeben hatte (er enthielt fünfundzwanzigtausend Dollar in bar). Er öffnete ihn, blätterte mit dem Daumen über die Scheine, zählte das Geld schnell nach, verschloß dann den Umschlag wieder und ließ ihn in der hinteren Hosentasche verschwinden. Er schnallte sich an, und in langsamer Fahrt verließen wir das Flughafengelände, nahmen die Autobahn Richtung Shanghai. Wir sprachen kein Wort, er konnte kein Französisch, und sein Englisch war miserabel. Er trug ein gräuliches, kurzärmeliges Sporthemd, um den Hals ein Goldkettchen mit einem Anhänger in Form einer stilisierten Drachenklaue oder Drachenkralle. Auf meinen Knien lag immer noch das Handy, das er mir geschenkt hatte, ich wußte nicht, was ich damit anfangen sollte, und fragte mich, warum man es mir gegeben hatte (ein schlichtes chinesisches Willkommensgeschenk?). Zhang Xiangzhi, soviel war mir bekannt, machte seit einigen Jahren im Auftrag von Marie in China Immobiliengeschäfte, möglicherweise dubiose oder gar illegale Geschäfte, Vermietung und Verkauf gewerblicher Räume, Weiterverkauf von Grundstücken in zu Bauland umgewidmeten Gebieten, das Ganze war aller Wahrscheinlichkeit nach ein Sumpf von Korruption und Schmiergeldern. Marie hatte nach ihren ersten Erfolgen in Asien, in Korea und Japan, auch in Hongkong und Peking Niederlassungen gegründet und plante nun, neue Läden in Shanghai und weiter im Süden des Landes, in Shenzen und Canton, zu eröffnen, Projekte, die schon weit gediehen waren. Aber bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt war mir n Leseprobe