Beschreibung
Die mystischen Traditionen des Abendlandes neu entdeckt
Die Ordensleute sind Meister in der Kunst der Spiritualität, die gerade heute in unserer unruhigen Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dieser wunderschön ausgestattete Band erschließt den Wissens- und Erfahrungsschatz der Mönche und Nonnen für den modernen Alltag. Uli Hauser stellt die Lehren der großen spirituellen Meister wie Hildegard von Bingen, Edith Stein und der Lehrer unserer Zeit vor und zeigt anhand von Exerzitien, Übungen der Kontemplation und Meditation, wie sich Spiritualität im Alltag erfahren lässt.
Mit zahlreichen Abbildungen und Adressen für Aufenthalte in Klöstern.
Autorenportrait
Peter Seewald, Jahrgang 1954, war bis 1994 Redakteur und Autor bei 'Spiegel', 'Stern' und dem Magazin der 'Süddeutschen Zeitung'. Seine zusammen mit Kardinal Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI., herausgegebenen Bücher 'Salz der Erde' und 'G
Leseprobe
Vorwort Was ist wirklich wichtig im Leben? Wenn wir ehrlich sind, lassen wir es kaum zu, uns der Frage der Fragen zu stellen. Vielleicht aus Furcht. Vielleicht aus Bequemlichkeit. Wir streben nach Liebe und Orientierung: Was uns wirklich am Herzen liegt, beachten wir oft nicht. Unser Leben ist voller Ablenkung, das Tempo der Welt duldet keinen Müßiggang. Sachzwänge bestimmen den Alltag, wir sind nicht Herr im eigenen Haus. Für das Wesentliche fehlt die Zeit. Ich habe einen Bekannten, der mich, wenn ich ihn sprechen möchte, mit den Worten vertröstet: 'Lass uns später mal in Ruhe reden.' In diesen Momenten weiß ich, dieses Gespräch wird nie zustande kommen. Die Sehnsucht aber bleibt, sich und seine Gefühle besser kennen zu lernen. Die Fähigkeit, wieder zu Harmonie und Wohlbefinden zu gelangen, ist uns angeboren. Die Mechanismen der Selbstheilung, immer mehr Mediziner kommen zu diesem Schluss, sind in Geist und Gehirn festgelegt. Wenn wir wollen, sind wir in der Lage, uns selbst zu erkennen. Mönche und Nonnen tun dies seit 2000 Jahren. Sie haben sich entschlossen, ihren Fragen nicht auszuweichen. Ihrer Unruhe auf den Grund zu gehen. Der Frage nach ihrer Wirklichkeit. Der Frage nach Gott. 'Geh in deine Zelle', sagten die alten Wüstenväter, 'sie wird dich alles lehren.' Beschäftige dich mit dir, untersuche deine Leidenschaften, dein Verlangen, deine Emotionen. Werde dir selbst bewusst, renne nicht fort. Für Mystiker ist dies der entscheidende Schritt, um Gott erkennen zu können. Eins kommt ohne das andere nicht aus, sagen sie. Dieses Buch ist eine kleine Entdeckungsreise in die Welt der Mystik. Ein Versuch, 2000 Jahre Selbsterkenntnis in wenigen Kapiteln vorzustellen. Alle Wahrheit steckt in dir, alle Antworten sind in dir, du musst sie nur freilegen, sagten die Wüstenväter, die im 4. Jahrhundert aus den Städten in die Einsamkeit der Wüste flohen. Und das Mönchstum erfanden. Ihre Radikalität provoziert auch heute. In einer Gesellschaft, die sich nach allen Seiten absichert und für jede Lebenslage Berater bereithält. Wer mehr über sich wissen will, kann von den Mystikern lernen. Wir leben in einer Welt, die von Experten beherrscht wird. Suchen Halt bei anderen, weil wir die Antworten nicht in uns zu finden glauben. Mystik bedeutet die Erfahrung, von innen heraus zu wissen. Die Welt ganz zu begreifen. Einzudringen in eine andere Wirklichkeit, die immer da ist, deren wir uns aber nicht bewusst sind. Mystische Erfahrung kennzeichnet das Gefühl einer Vereinigung mit etwas Größerem als dem eigenen Selbst. Sie wird oft mit widersprüchlichen Gefühlen beschrieben: Überwältigender Freude folgt schreckliche Angst. Mystiker berichten von Verzückung, Ekstase und Glückseligkeit. Davon, Teil von etwas Wunderbarem gewesen zu sein, das sie für immer verändert hat. Willkommen zu einer Schatzsuche, zu der man nicht umständlich aufbrechen muss. Geduld sollte man mitbringen und Gelassenheit. Es geht darum, sich selbst auszuhalten. Stille zu ertragen. Man kann damit anfangen am Feierabend, am Wochenende, in der Kirche oder an einem Weiher. Man muss dafür nicht aufs Dach der Welt. Wie sagte der Dalai Lama, gütig lächelnder Held der sinnsuchenden Generation, bei seinem letzten Besuch in Deutschland? Er sagte sinngemäß: 'Es ist doch merkwürdig, dass die Menschen im Westen so nach dem Buddhismus schielen. Warum gucken die nicht in ihrer eigenen Tradition, was es da gibt?' Willkommen im Kloster Es ist ein schöner Tag, der Welt den Rücken zu kehren. Ein Hoch herrscht über Europa, seit Wochen schon. Ich habe mir vorgenommen, mich langsam zu entfernen und in kleinen Schritten. Kurz vor dem Kloster lege ich die Nachrichten aus der Hand, die Eisenbahn bummelt durch satte Wiesen voll Löwenzahn. Von der Endstation in Heimbach, einem Fachwerkstädtchen im Tal der Rur, wo sich Wanderer kleine Blechplaketten als Andenken an ihre Stöcke nageln, sind es 40 Minuten durch den noch lichten Wald hoch zur Abtei. Das Kloster Mariawald liegt 400 Meter Leseprobe