Beschreibung
Die historische Bedeutung der Reformation ist umstritten. Entgegen einer traditionellen, protestantisch geprägten Geschichtsauffassung, die in der Einmaligkeit der "Tat Luthers" eine Befreiung von den in der Papstkirche gesammelten "dunklen Mächten" und ein "Ende des Mittelalters" sah, betont die neuere Forschung, daß die Reformation nur vor dem Hintergrund spezifischer Voraussetzungen zu verstehen ist. Dies gilt im Hinblick auf das kirchliche und kulturelle Leben um 1500 wie auf die politischen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen der Zeit. Der "Erfolg" der Reformation ist nur verständlich, weil verschiedene "Akteure", die Landesfürsten etwa, städtische Magistrate, aber auch Bürger und Bauern, etwas mit ihr "anfangen" konnten. Ist es also noch gerechtfertigt, der Reformation einen epochalen Charakter zuzuschreiben? Das Buch bejaht diese Frage in dezidiert kirchengeschichtlicher Perspektive. Als Schlüsselproblem der Reformation muß das Zusammenwirken von Kirchenwesen und Religion, Gesellschaft und Herrschaft, Heils- und Machtfrage angesehen werden. Daneben sind allerdings die individuellen "Leistungen" der Reformatoren, ihre Ideen und Kommunikationsformen nicht zu vernachlässigen. Bücher zur Geschichte der Reformation sind in Deutschland bisher eine Domäne der Allgemeinhistoriker. Die vorliegende Darstellung des protestantischen Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann setzt einen besonderen Akzent, indem sie die zentralen theologischen Themen Luthers, Zwinglis, Karlstadts und der vielfältigen Publizistik intensiv auswertet und auf die geschichtliche Entwicklung bezieht. Ein besonderes Gewicht kommt der Rezeption leitender Ideen in den Massenmedien der Zeit (Flugschriften, Predigten, Flugblättern) zu. Das Buch bietet eine umfassende und vielschichtige Darstellung der deutschen Reformationsgeschichte und ihrer europäischen Zusammenhänge.
Autorenportrait
Thomas Kaufmann, geboren 1962, ist seit 2000 Professor für Kirchengeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen, ist ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen sowie Auswärtiges Mitglied der British Academy. Seit 2011 ist er Vorsitzender des Vereins für Reformationsgeschichte. 2020 erhielt er einen Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis.
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