Beschreibung
Die Ideologiekritik der Frankfurter Schule ist nicht obsolet - sie kann zum Verständnis aktueller Konflikte einen wichtigen Beitrag leisten. In diesem Buch wird der Versuch unternommen, einige ihrer wichtigsten Kategorien zu aktualisieren. Dabei wird die philosophiegeschichtliche Seite der Frage nach Vorurteilen, die die menschliche Erkenntniskraft einschränken, besonders berücksichtigt. Ihre politische Sprengkraft wurde bereits im 17. und 18. Jahrhundert deutlich, als die Vertreter der Aufklärungsphilosophie eine Gesellschaft zu kritisieren begannen, in der sich religiöse Begründungszusammenhänge mehr und mehr auflösten. Diese Transformation vollzog sich in Kontinentaleuropa, ohne dass an die Stelle der Religion eine neue, ähnlich verlässliche Interpretation der Welt getreten wäre. Der aufklärungsphilosophische Versuch, die Funktionen der Religion in einer vernünftigen Moral aufzuheben, belegt Selbstbewusstsein wie auch Selbstüberschätzung dieser Epoche. Im Rückblick wird die aufklärerische Vorurteilskritik als Subgeschichte bürgerlichen Denkens, als theoretischer Ausdruck neuer sozialer und geschichtlicher Beziehungen interpretierbar. Diese Traditionslinien wurden wiederbelebt, als Max Horkheimer und Theodor W. Adorno sich nach ihrer Rückkehr aus dem amerikanischen Exil im Frankfurter Institut für Sozialforschung erneut über die Aktualität der Ideologiekritik auseinandersetzten. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen des 20. Jahrhunderts konnte freilich nicht mehr ungebrochen auf die Aufklärungstraditionen zurückgegriffen werden. Die damaligen Diskussionen über das Neue der Ideologie bieten Ansatzpunkte einer aktuellen Kritik von Alltagsreligion und ethnischem Nationalismus.