MERKUR 7/2018

72. Jahrgang, Juli 2018, MERKUR Gegründet 1947 als Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608974690
Sprache: Deutsch
Umfang: 104 S.
Format (T/L/B): 0.9 x 23.5 x 15 cm
Auflage: 1. Auflage 2018
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Im Aufmacher des Julihefts (Nr. 830) stellt Herfried Münkler strategische Überlegungen zur Rolle Europas in einem veränderten Weltmachtgefüge an. Christian Demand fragt danach, wie wir bestimmen, was wir (in Museen und andernorts) sammeln, also, mit dem Titel einer beliebten Sendung im Bayerischen Rundfunk: wie wir zwischen Kunst & Krempel unterscheiden. Apropos Sammeln: Dass Nachlässe ins Literaturmuseum nach Marbach kommen, ist schon lange der Fall. Über die neuere Sitte der "Selbsteinlieferung" von Vorlässen schreibt Hanna Engelmeier. Und Thomas Steinfeld macht uns in einer Campus-Erzählung mit "Larry" bekannt, einem Ex-Tänzer, den der Ich-Erzähler in einer US-Provinz-Unistadt kennenlernt. In Heide Volkenings Popkolumne geht es um gegenderte Blickkonstruktionen und um zeitgenössische Begriffe des Ästhetischen von "cute" (also niedlich) bis "zany" (also "irrwitzig"). Robin Detje denkt anlässlich einer Berliner Inszenierung ihres "Am Königsweg"-Stücks über Elfriede Jelinek nach. Einen gesonderten Schwerpunkt gibt es zum verstorbenen langjährigen Merkur-Autor Michael Rutschky: Es schreiben Brigitte Landes, Stephan Wackwitz, David Wagner, Dirk Knipphals, Kurt Scheel und Jörg Lau. In den Marginalien setzt Thomas Thiemeyer seine Überlegungen zu Kulturerbefragen fort. Dass er einmal ein ganz unironisches Plädoyer für die Diversität und Widerständigkeit der Kultur halten müsste, hat Jörg Scheller auch nicht gedacht - aber die Zeiten sind wieder danach. Und auch in Enis Macis Schlusskolumne geht es um das Rücken und Rutschen des öffentlichen Diskurses nach rechts.

Autorenportrait

Christian Demand, Jg. 1960, hat Philosophie und Politikwissenschaft studiert und die Deutsche Journalistenschule absolviert. Er war als Musiker und Komponist tätig, später als Hörfunkjournalist beim Bayerischen Rundfunk. Nach Promotion und Habilitation in Philosophie unterrichtete er als Gastprofessor für philosophische Ästhetik an der Universität für angewandte Kunst Wien. 2006 wurde er auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg berufen, wo er bis 2012 lehrt. Buchveröffentlichungen: Die Beschämung der Philister: Wie die Kunst sich der Kritik entledigte (2003), Wie kommt die Ordnung in die Kunst? (2010). Christian Demand ist Herausgeber des MERKUR.

Leseprobe

Zitate aus Merkur, Nr. 830, Juli 2018 "Die Europäer müssen ihre vitalen Interessen unabhängig von den USA absichern. Die Epoche ist vorbei, in der sie unter dem Mantelbegriff des 'Westens' ein sicherheitspolitisches Mündel der Vereinigten Staaten sein konnten. Der Begriff 'Westen' steht darum eher für nostalgische Reminiszenz als für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen." Herfried Münkler, Eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa? "So zutreffend es auch ist, dass man von einer solchen Gemeinschaft, ihren Werten, Traditionen, Usancen zwangsläufig geprägt wird, so wenig ist damit gesagt. Herkunft ist schließlich keine determinierende Kraft, deren Einfluss man passiv hinzunehmen hätte, man verhält sich zu ihr, indem man urteilt, Distanz hält, auswählt, Stellung bezieht. Für Tradition gilt dasselbe." Christian Demand, Kunst und Krempel "Die (Selbst)Einlieferung des Vorlasses ist gewissermaßen eine Bewerbung auf einen Platz im Kanon." Hanna Engelmeier, Selbsteinlieferung oder: Vorlass nach Marbach! "Echte, reine Verzweiflung sprach nun aus diesem kleinen Mann, an dem es kein Gramm Fett gab, der bloß Knochen und Muskeln war und der so gerne nur aus Wille und Schönheit bestanden hätte. Aber für den Willen gab es jetzt keinen Platz mehr, und die Schönheit war relativ." Thomas Steinfeld, Larry "Die Bildsprache des Mädchenhaften und Niedlichen partizipiert an der so häufig inkriminierten pinkification weiblicher Kindheits- und Jugendkultur. In der mimetischen Übernahme dieser visuellen Codes liegt zugleich das Verstörende." Heide Volkening, Popkolumne. Unsere Körper, unsere Selfies "Ich würde das Stück ganz gerne so sehen, ungekürzt. Man würde um den Erdhaufen herumschlendern, die Phasen der Ermattung miterleben und die des Sich-wieder-Aufbäumens. Spieldauer vielleicht 3,7 Tage, zwischendurch kurze Nickerchen, Sanitäter bringen Publikum und Schauspielerin einen Imbiss, vielleicht hängt sie auch sicherheitshalber am Tropf. Krankheit Theater, Krankheit Literatur, Krankheit Kunst." Robin Detje, Die Anmaßung "Herr Rutschky fing beim Schreiben von Texten mit dem ersten Satz an, dann schrieb er den zweiten und den dritten, und so weiter bis zum letzten Satz. Dann schickte er den fertigen Text an seinen Redakteur, zwei Wochen vor dem Abgabetermin. Ich fange in der Mitte an, und nicht immer liegt der vereinbarte Termin dann noch in der Zukunft." Kathrin Passig, Herr Rutschky werden "Was ich schließlich am meisten an Rutschky bewunderte, war wohl, dass er alles durchschaute, das Normalisieren, das angebliche Bescheidwissen, das Leben und Schreiben in Floskeln, aber dabei immer auch neugierig auf die immer neuen Einzelfälle und ihre kreativen Lebensbasteleien blieb." Dirk Knipphals, So gehts eben auch "Wir hatten uns zu einem Spaziergang verabredet. Wir kamen am Dorotheenstädtischen Friedhof vorbei. Ich wollte, wenn wir schon einmal hier sind, das Grab von Heiner Müller sehen. Er wisse genau, wo das liege. Er sei schließlich Berlin-Spezialist, kenne den Friedhof wie seine Westentasche. Eine Weste trug er nicht." Brigitte Landes, Mai 2011 "Während R. mir erklärt, dass kalifornische Surfer das Skaten erfunden hätten (selten nur, ganz selten, erzählt er Dinge, die er nicht erzählen müsste), gleitet ein Stehpaddler auf einem surfbrettgroßen Longboard vorbei, kerzengerade steht er stolz wie ein venezianischer Gondoliere auf seinem Gefährt, mit einem am unteren Ende mit Klebeband umwickelten Asphaltpaddel stößt er sich vom Boden ab. Wir staunen." David Wagner, Letzter Spaziergang, 18. Oktober 2017 "Als das Trüpplein der neun Trauergäste in der Kajüte der 'Jan Maat' saß, fragte ich Herrn Lau, ob er nicht die Urne fotografieren wolle, aber bevor er antworten konnte, schwirrten schon aus mehreren Mündern ablehnende Geräusche, und Herr Kröher fasste es dahingehend und unwiderleglich zusammen, Bourdieu habe das Fotografieren bei Bestattungsfeierlichkeiten streng untersagt, und da Bourdieu ja in gewisser Weise ebenfalls eine Erfindung von Michael Rutschky gewesen war, kam es so rüber, als hätte Michael selber ein machtvolles Nein gesprochen." Kurt Scheel, Mit der "Jan Maat" vor Warnemünde "Jeden Tag hat er abgerechnet, in einer winzigen, akkuraten Schrift, die Dutzende Kladden und viele Tausende Seiten füllt. Wer sich einmal darin festliest und erlebt, wie der Schrecken und die Sensationen des Gewöhnlichen da in eins fallen, wird keinen Zweifel haben, dass dieses monumentale Aufschreibesystem der Tagebücher das Hauptwerk Michael Rutschkys darstellt." Jörg Lau, Ein trauriger Optimist "Die Fiktion des ethnisch homogenen Nationalstaats als Normalfall beginnt zu erodieren. Das heißt in der Konsequenz, dass eine Gesellschaft, die in großem Stil neue Mitglieder eingemeindet und das nicht als Gnade ansieht, grundlegende Regeln ihres Zusammenlebens neu erklären, rechtfertigen und gegebenenfalls verändern muss." Thomas Thiemeyer, Kulturerbe als "Shared Heritage" (II "Doch Gesellschaften und Staaten, die sich erst dann funktionstüchtig wähnen, wenn sie möglichst ohne Spannungen und Irritationen auskommen, sind solche der Angst, der Schwäche, ja des unterentwickelten Selbstwertgefühls. Sie imaginieren Kultur als einen Spiegel, der ihnen erzählt, sie seien die Schönsten im schönsten Land." Jörg Scheller, Kultur heißt Dissens "Jens Spahn besucht eine Hartz-IV-Empfängerin in Karlsruhe. Vielleicht haben sie diskutiert, wer sich bei den Lebensmitteltafeln anstellen dürfen sollte und wer lieber nicht, wer die Schubser sind, wer die Geschubsten, und wer all die im Rucksack geplatzten Joghurts eigentlich ersetzen soll. Is Shame Necessary? lautet der Titel eines Buchs, das auf meinem Schreibtisch liegt." Enis Maci, Fragen zur Botanik