Beschreibung
In den Texten aus dem Nachlaß, die in dieser Studienausgabe vereinigt sind, kommt es wesentlich darauf an, unterschiedliche Phänomene des Vergegenwärtigens gegenüber dem Wahrnehmen auf der Grundlage reflexiver Bewußtseinsanalyse explizit zur Klarheit zu bringen. In einem weiten Wortgebrauch faßt Husserl Phantasie oft ganz allgemein als "das als Vergegenwärtigung charakterisierte Bewußtsein"; oder wie er auch sagt: "Zum Wesen der Phantasie gehört das Nichtgegenwärtigkeits-Bewußtsein. Wir leben in einer Gegenwart, wir haben ein Blickfeld der Wahrnehmung, aber daneben haben wir Erscheinungen, die gänzlich außerhalb dieses Blickfeldes ein Nichtgegenwärtiges vorstellen". Etwas technischer gesprochen, bringt Husserl Grundformen des Bewußtseins, spezifische Weisen der Intention, Modifikationen in den Aktcharakteren bzw. in den Charakteren der gegenständlichen Korrelate von Bewußtseinserlebnissen zu wechselseitiger Abhebung. Es handelt sich somit um Texte, in denen die von früh an zentrale Thematik der phänomenologischen Bestimmung "wesentlich verschiedener 'Weisen des Bewußtseins', nämlich der intentionalen Beziehung auf Gegenständliches", wie es in der fünften der Logischen Untersuchungen (1901) heißt, für bestimmte Bewußtseinsarten in concreto durchgeführt wird. Des näheren geht es darum, innerhalb der Erlebnisklasse der Vorstellungen - in Abhebung von Urteilen und Gefühlen - die verschiedenen Charaktere der Intention der anschaulichen Vorstellungen gegenüber denjenigen der begrifflichen Vorstellungen zu bestimmen.
Autorenportrait
Edmund Husserl wird 1859 als Sohn einer jüdischen Tuchhändlerfamilie in Prossnitz geboren. Er nimmt nach dem Abitur das Studium der Mathematik, Astronomie, Physik und Philosophie in Leipzig auf, das er ab 1878 in Berlin fortsetzt. Es folgt die Promotion in Wien und - angeregt durch den Einfluß Franz Brentanos - die Habilitation mit einer psychologischmathematischen Arbeit bei Carl Stumpf in Halle. Nach verschiedenen Lehrtätigkeiten erhält Husserl 1906 eine Professur in Göttingen. Die berühmtesten Werke erscheinen in großen Abständen, davon zu Lebzeiten zwei unvollständig: die Ideen zu einer reinen Phänomemologie (1913) und die Krisis der europäischen Wissenschaften (1936). Diese programmatischen Einführungen in die Grundprobleme der Phänomenologie werden zeitlebens durch unveröffentlichte Analysen ergänzt, die Husserl auf etwa 45.000 Seiten in Gabelsberger Stenographie niederschreibt. 1916 folgt er dem Ruf an die Universität Freiburg, wo Martin Heidegger sein wohl berühmtester Schüler wird. Die Konversion zum Christentum schützt die Familie Husserl nicht vor den Schikanen der Nazis, die sie 1937 aus ihrer Wohnung vertreiben. Husserl stirbt 1939 in Freiburg.
Schlagzeile
In den Texten dieser Ausgabe untersucht Husserl die Frage, wie Phantasie und Bildbewußtsein, also Bewußtseinsakte, die sich nicht auf aktuell Gegebenes beziehen, phänomenologisch zu deuten sind.>