Beschreibung
So hat sich Josephine die Klassenfahrt nicht vorgestellt. Nicht nur, dass sie sich mit der Esoterikerin Tamara ein Zimmer teilen muss, auch das Kaff, in das sie die Reise geführt hat, ist total öde. Wer will es ihr da verübeln, dass sie sich während einer Besichtigungstour lieber verdrückt? Auch Tamara treibt etwas dazu, sich während des Rundganges abzusetzen. Seltsamerweise begegnen sich die beiden Mädchen vor einem Gemälde in einer kleinen Kirche. Fasziniert betrachten sie das geheimnisvolle Bild - bis ihnen die Porträtierte plötzlich den Blick zuwendet. Josephine tut das Ereignis als Sinnestäuschung ab. Doch Tamara lässt sich nicht so leicht beruhigen. Schon gar nicht, als sie erfährt, dass die unheimliche Frau vor Hunderten von Jahren als Hexe angeklagt und gefoltert wurde. Was will sie nur von den beiden Mädchen? Gemeinsam beschließen Tamara und Josephine, der Sache nachzugehen. Doch als sie die Kirche erneut aufsuchen, ist das magische Gemälde verschwunden. Dafür dringt nun ein Wimmern durch das Gemäuer.
Autorenportrait
Heike Schulz, Jahrgang 1968, lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in der Nähe von Köln. Die studierte Bekleidungstechnikerin hat in ihrer Freizeit jahrelang multikulturelle Jugendfußballmannschaften trainiert und in einem Jugendtreff gearbeitet. Derzeit ist sie als Betreuungskraft der Caritas am Schulzentrum in ihrer Heimatstadt tätig. "Hexengesicht" ist ihr Debütroman.
Leseprobe
»Fürchterlich, nicht wahr?, flüsterte jemand. Jo fuhr herum. Es war Tamara, die hinter einem Kandelaber hervortrat und auf das Gemälde deutete. Ich vermute, sie hatte eine schlimme Krankheit. Seltsam, dass sie nur die linke Gesichtshälfte befallen hat, oder? Jo schluckte und zwang sich, erneut hinzusehen. Was für einen grausamen Streich die Natur dem Mädchen auf dem Bild gespielt hatte: Während die rechte Gesichtshälfte ebenmäßig und unversehrt war, hatte irgendetwas die linke Hälfte mit Beulen überzogen, den Mund verzerrt und das Auge mitsamt der Höhle weit hinunter auf die Wange rutschen lassen. Jo fühlte sich hin und her gerissen zwischen Abscheu und Mitgefühl. Was wohl aus ihr geworden ist? Keine Ahnung. Aber leicht wird sie es nicht gehabt haben, abergläubisch, wie die Menschen damals waren. Tamara zeigte auf den Engel. Ich glaube, er soll sie bewachen. Wie kommst du darauf? Das ist kein gewöhnlicher Engel, erklärte Tamara. Das ist ein Cherub. Cherubim haben besondere Aufgaben. Sie sollen einst den Garten Eden bewacht haben. Denkst du, der steht hier nur zufällig und wirft seinen Schatten auf die linke Gesichtshälfte dieser Frau? Ja, merkwürdig ist es schon, gab Jo zu. Aber warum sollte er sie bewachen? Es ist doch nur ein harmloses Gemälde. Findest du? Tamara löste eine Kerze aus dem Kandelaber, entzündete sie mit einem Feuerzeug und hielt sie dicht vor das Porträt.« Heike Schulz