Olymp

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783942223782
Sprache: Deutsch
Umfang: 266 S.
Format (T/L/B): 2.2 x 21.6 x 15.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Leseprobe

'WAHNSINN - TSUNAMI AM WANNSEE' hatte Bild Online am Morgen getitelt. Zwar hatte der Tsunami keine Menschenleben gefordert, und auch die Sachschäden hielten sich in Grenzen, doch Berlin war beunru-higt. Dass nicht viel passiert war, lag nicht zuletzt daran, dass das unge-wöhnliche Phänomen zu sehr früher Stunde aufgetreten war. Lediglich zwei Jogger waren in panischer Angst vom Uferweg in den Wald ge-rannt, als sie die etwa einen Meter hohe Welle auf sich zukommen sa-hen. Eine kleine Hündin wurde vermisst, die ein Rentner am See ausge-führt hatte. Bild Online veröffentlichte ein riesiges Foto von Trixi, der Dackeldame, daneben ein ganz kleines von Karl-Heinz Baumann, Trixis untröstlichem Herrchen. Die Redakteure der weniger volkstümlichen Medien hingegen ver-suchten, sich irgendwie schlauzumachen. Sie hatten in kürzester Zeit Wissenschaftler aufgetrieben, die sie nach den möglichen Ursachen für einen Tsunami auf einem so kleinen Binnengewässer befragten. Adam Zeussen las sich die Erklärungsversuche der Fachleute kurz durch. Er hatte noch nie verstanden, wie jemand Fachmann für ein Phänomen sein kann, das zum ersten Mal auftritt. Von den Anziehungskräften des Mondes war da die Rede, doch war das nicht ganz überzeugend, zumal der Mond an diesem Tage seine ge-wöhnliche Bahn nachweislich nicht verlassen hatte. Außerdem war das Ereignis auf den Wannsee beschränkt. Selbst ähnlich große Seen in unmittelbarer Nähe, wie beispielsweise der Müggelsee, waren völlig ruhig in ihrem Bett liegen geblieben und nicht nach der einen Seite, der Stadtseite, hin übergeschwappt wie der Wannsee. Ein punktuelles Erdbeben in großer Tiefe, haargenau unter dem Wannsee, vermutete ein bekannter Seismologe der Freien Universität als Ursache. Dem widersprachen zahlreiche Internet-Kommentatoren. Unter ihnen stachen vor allem die Verschwörungstheoretiker hervor, die von unterirdischen Experimenten sprachen, die irgendwelche finste-ren Mächte unterhalb des Sees anstellten. Religiöse Fanatiker wiederum sahen in dem Tsunami eine Warnung Gottes, gerichtet an die anerkann-termaßen gott- und sittenlosen Berliner. Als Adam Zeussen das las, musste er lächeln. Er wusste: Das Zeichen galt ihm - und nur ihm. Seinen Job als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium hatte Adam sich ganz allein erkämpft. Staatssekretäre in deutschen Ministeri-en sind politische Beamte, Zwittergestalten gewissermaßen zwischen Politikern und Beamten, wobei einige mehr an Beamte und andere mehr an Politiker erinnern. Adam gehörte ganz eindeutig zur zweiten Grup-pe. Besonders schwer war ihm der Aufstieg in die Führungsetage des Ministeriums nicht gefallen, längst nicht so schwer wie anderen, die erst eine Jahrzehnte dauernde Beamtenkarriere durchlaufen müssen oder aber als Quereinsteiger ins Ministerium kommen, nachdem sie einen innerparteilichen Gegner nach dem anderen niedergerungen haben. Adam hingegen war erst spät in die Partei eingetreten. Für sei-nen Ortsverband war er dabei so etwas wie ein deus ex machina gewe-sen. Jahrelang hatte man mangels besserer Kandidaten einen nervigen Studienrat oder eine wortgewaltige, in politischen Fragen aber wenig bewanderte Hausfrau in die nächsthöheren Gremien entsandt, bis zu dem Tag, an dem Adam zum ersten Mal in einer Parteiversammlung auftrat. Die Mitglieder des Ortsverbandes waren wie verzaubert von Adams kurzer Ansprache. Niemand konnte in der Folge wiedergeben, was Adam eigentlich gesagt hatte, ja selbst das Thema zu nennen, wäre den meisten schwergefallen. Alle waren sich jedoch einig, dass in dieser Stunde ein neuer Stern am lokalpolitischen Himmel aufgegangen war, so wohlgesetzt waren seine Worte, so geschliffen sein Humor, so ange-nehm der Klang seiner Stimme, so durchkomponiert der Reigen seiner Sätze, so wohlgesetzt die künstlichen, Aufmerksamkeit erzeugenden Pausen, fast wie bei Willy Brandt. Die anschließende Abstimmung war eine Formsache, und so begann der steile und scheinbar unaufhaltsame Aufstieg des Adam Zeussen im politischen

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