Von der 'Vergegnung' zur Begegnung

eBook - Die besondere Beziehung zwischen Christentum und Judentum und die Bedeutung des christlich-jüdischen Dialogs für den Frieden, Jerusalemer Texte

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783959489331
Sprache: Deutsch
Umfang: 0 S., 0.91 MB
Auflage: 1. Auflage 2018
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Format: PDF
DRM: Adobe DRM

Beschreibung

Die christlich-jüdischen Beziehungen nach 1945 sind nicht ohne ihre Vorgeschichte zu verstehen. Joanne Schmahl nimmt diese Beziehungen in den Blick. Sie tut dies vor dem Hintergrund der jahrhundertelangen kirchlichen Judenfeindschaft.Sie untersucht ausgewählte Texte aus dem Neuen Testament, um zu prüfen, ob deren Wurzeln des Antijudaismus bereits im Neuen Testament selbst liegen. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass der nicht in den neutestamentlichen Texten selbst, sondern vielmehr in deren Wirkungsgeschichte zu verorten sei. Dann skizziert die Verfasserin die weitere Entwicklung der kirchlichen Judenfeindschaft bis zum 20. Jahrhundert und geht auf die theologischen Neuanfänge nach 1945 ein, indem sie christliche Ansätze einer Theologie nach Auschwitz thematisiert.Mit Blick auf die derzeitigen Entwicklungen stellt die Verfasserin die Frage, ob überhaupt schon von einem Dialog gesprochen werden kann, und benennt bleibende Herausforderungen und Desiderata im christlich-jüdischen Dialog.Abschließend arbeitet die Verfasserin die friedensstiftende Dimension des christlich-jüdischen Dialogs heraus. In diesem Zusammenhang beschränkt sie sich nicht auf den christlich-jüdischen Dialog, sondern bezieht den (sonstigen) interreligiösen Dialog mit ein.Dieses Buch ist ein beeindruckendes Plädoyer für die Überwindung des Antijudaismus und die Vertiefung des christlich-jüdischen Dialogs.

Leseprobe

1. EinleitungIm Laufe meines Bachelor- sowie meines Masterstudienganges hat michdie Frage nach der christlichen Judenfeindschaft bzw. den Vorurteilengegenüber den Juden generell schon immer interessiert, in der Auffassung,dass diese Thematik vielmehr der Vergangenheit angehört als dasssie in unserer heutigen Gesellschaft noch salonfähig wäre, da ich in einerZeit aufgewachsen bin, in der man einen deutlichen Prozess der zumeistpositiven Veränderung in der Beziehung zwischen Christen und Juden inErinnerung an die Judenverfolgung und systematischen ermordung zurNS-Zeit wahrnehmen kann. Als aber nach einer Unterrichtsstunde einmalein Schüler zu mir kam und mich fragte, ob der Gott im AT immerso strafend und rachsüchtig sei, weil die Juden ja auch Jesus getötet hätten,wurde mir schlagartig klar, dass das Thema des christlichen Antijudaismusund der sich mit diesem entwickelnden Vorurteile und Stereotypengegenüber dem Judentum aktueller zu sein scheint, als mir bewusstwar. Kurz darauf, zu Beginn diesen Jahres, häuften sich in denMedien zudem Berichte, nach denen jüdische Schüler in DeutschlandOpfer von antisemitischen Beleidigungen und körperlichen Angriffengeworden seien. Aus den USA wurde außerdem über Schändungen vonjüdischen Friedhöfen berichtet. Obgleich also zum einen eine deutlicheWende-Zeit und veränderte Haltung der Christen gegenüber den Judenfestzustellen ist, lässt sich anhand der oben dargestellten Vorfälleschlussfolgern, dass zum anderen der Antisemitismus sowie eine negativeHaltung gegenüber Juden wieder aufzukeimen bzw. noch lange nichtüberwunden zu sein scheinen. Aber woher stammen diese negative, garfeindliche Haltung gegenüber den Juden und die noch heute bekanntenantijüdischen Vorurteile über die Juden beispielsweise als Christusmördereigentlich? Wie konnte der Völkermord im Dritten Reich überhauptmöglich sein und welche Folgen hat die Schoa für die christliche Theologie?Wie reagierten die beiden großen christlichen Kirchen auf dieSchoa? Kann der christlich-jüdische Dialog dazu beitragen, diese Vorurteilegegenüber dem Judentum zu bekämpfen, sodass wir in unserer modernenGesellschaft, in der religiöser Pluralismus selbstverständlich undalltäglich erfahrbar ist, friedlich miteinander leben können, indem wirUnwissenheit und Berührungsängste gegenüber unseren älteren Brüderngemeinsam und dialogisch miteinander abbauen?Diesen Leitfragen folgend soll in dieser Untersuchung zum einen denUrsachen für die Judenfeindschaft nachgegangen und vor dem historischenHintergrund der systematischen Judenverfolgung im Dritten Reichund der beinahe 2000 Jahre von Vergegnung geprägten Beziehungzwischen Juden und Christen der Prozess der Neugestaltung der christlich-jüdischen Beziehung und dessen historische Bedeutsamkeit aufgezeigtwerden, um die bisherigen Erfolge und Verdienste hervorzuhebenund diese neue Beziehung der Christen zum Judentum, wie wir sie heuteenergisch verfolgen und leben, nachhaltig zu stärken. Exemplarisch fürdiese Neugestaltung möchte ich jene Maßnahmen von Seiten der christlichenKirche nach 1945 vorstellen, die maßgeblich zum Umdenken undzur Neuorientierung gegenüber den Juden beigetragen und den Weg füreine neue Etappe der christlich-jüdischen Beziehung geebnet haben. MitBezug auf die oben skizzierten Vorfälle soll diese Untersuchung aberauch dafür sensibilisieren, dass der Prozess der Aufarbeitung der vonFeindschaft und Gewalt geprägten Geschichte von Juden und Christennoch lange nicht abgeschlossen ist. Auf Grundlage meiner Erkenntnissewerde ich den christlich-jüdischen Dialog abschließend auf etwaige For-schungslücken und noch wünschenswerten oder gar notwendigen Handlungsbedarfuntersuchen und angesichts der oben angeführten Beispielefür den wieder aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland und aufder Welt daraufhin überprüfen, inwieweit ihm eine friedensstiftende Bedeutungzugemessen werden kann.2. Der Entstehungsprozess des Christentums vor dem zeit- und religionsgeschichtlichenHintergrund der Lebenszeit JesuDie unheilvolle Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Europa undauf der ganzen Welt ist heutzutage, vor allem nach der Schoa, jedem einBegriff. Doch wie konnte es überhaupt zu diesem Völkermord kommen?Wo genau liegen die Ursachen für diese auch religiös motivierte Judenfeindschaft,dem christlichen Antijudaismus? Um diesen Fragen nachzugehenund besonders nach den Ursachen für die beinahe 2000 Jahre tradierteJudenfeindschaft zu forschen, soll zu Beginn dieser Arbeit derBlick zunächst auf die ältesten uns überlieferten Schriften gelegt werden,die das Verhältnis zwischen Juden und Christen beschreiben, das NT.Dazu soll zunächst der zeit- und religionsgeschichtliche Hintergrund derEntstehungszeit der ntl Schriften und der in den einzelnen Schriften erzähltenZeit, also das Leben und Wirken Jesu, im Fokus stehen. Da dieEntstehungszeit und die erzählte Zeit z. B. der Evangelien nicht übereinstimmenund die ntl Schriften nie frei von subjektiven Färbungen desjeweiligen Autors sind und daher sehr stark situativ und innerhalb derSituation ihres historischen Entstehungskontextes zu bewerten sind, sollder Blick auf den religiösen und politischen Kontext zur realhistorischenLebenszeit Jesu bis hin zur Verschriftlichung jener Schriften,die von seinem Leben erzählen, den Evangelien, gelegt werden. Daherwerde ich weit in die Vergangenheit, nämlich in die Entstehungszeitdes Christentums zurückgreifen. Da sich die Entstehung des Christentumsmit Blick auf die Literatur jedoch sehr komplex gestaltete, kann esan dieser Stelle nicht mein Anliegen sein, den gesamten historischenEntstehungsprozess des Christentums mit all seinen Ursachen aufzuzei-gen. Vielmehr können im Folgenden nur einige zentrale Aspekte desTrennungsprozesses aufgeführt werden.Dass es sich bei der Entstehung des Christentums um einen langwierigenund konfliktreichen Prozess handelt, der nicht an einem einzigen Ereignisfestgemacht werden kann, darin stimmen alle modernen Exegetenüberein. Wann genau das Christentum als die uns heute bekannte, eigenständigeReligion entstanden ist, lässt sich nicht genau datieren. Sicherbezeugt ist aber, dass es zur Entstehungszeit der ntl Schriften, der christlichenGlaubensgrundlage, noch nicht das Christentum oder die Christengab, was vor allem dadurch gestützt wird, dass in den ntl Schriften selbstder uns so geläufige Terminus Christen an nur drei Stellen im ganzenNT überliefert ist. In zwei Erwähnungen der Apg, die die älteste Überlieferungdes Begriffs Christen darstellen, wird das Adjektiv ??????????als nähere Bestimmung für die ??????? Jesu erwähnt und ein letztes Malim 1. Petrusbrief. Jedoch dient dieses Adjektiv immerzu als Fremdbezeichnung,sie wird den Schülern und Anhängern Jesu von außen auferlegt. Auch in außerchristlichen Quellen des ersten nachchristlichenJahrhunderts lässt sich erkennen, dass dieser Terminus keine Erwähnungfindet, woraus ich schließe, dass die Unterscheidung bzw. Trennung vonJuden und Christen noch nicht vollzogen wurde.9 Die älteste Überlieferungfür den Begriff Christen als eigenständige Bezeichnung einerGruppe sowie die zeitgleiche Einführung des Gegensatzpaares von Judenund Christen erscheint um ca. 114 n. Chr. bei Ignatius vonAntiochia. Auch in anderen römischen Quellen, denen die Charakterisierungder Christusgläubigen als superstitio gemeinsam ist, taucht derBegriff Christiani ungefähr zur gleichen Zeit auf, wobei jedoch daraufhingewiesen werden muss, dass durch die historiographischen Zeugnissevon Sueton und Tacitus bekannt ist, dass die Christiani bereits unterKaiser Nero als eigenständige religiöse Gruppe wahrgenommen wurden,aber auch diese Bezeichnung als Fremd- und nicht als Eigenbezeichnungzu bewerten ist. Daher wird die endgültige Trennung von Juden undChristen zumeist zu Beginn des 2. Jh. n. Chr. angesetzt, was es im Folgendennoch genauer zu untersuchen gilt. Unsere heutige Assoziation,wenn es um Juden und/ oder Christen geht, ist also eine gänzlich andereund kann auf das erste nachchristliche Jahrhundert und die ntl Schriftenin unserem heutigen Verständnis nicht angewandt werden. Um es in demzeit- und religionsgeschichtlichen Rahmen der erzählten Zeit der Evangelienkorrekter auszudrücken, werde ich im weiteren Verlauf, demKonsens der modernen Exegeten folgend, von christusgläubigen Juden und Nichtjuden einerseits und nicht-christusgläubigen Juden andererseits sprechen.

Inhalt

1. Einleitung2. Der Entstehungsprozess des Christentums vor dem zeit- und religionsgeschichtlichen Hintergrund der Lebenszeit Jesu2.1. Neutestamentlicher Befund zur Verhältnisbestimmung von Christen und Juden anhand ausgewählter Beispiele2.1.1. Die Wurzeln des christlichen Antijudaismus im Matthäusevangelium?2.1.1.1. Mt über die Zukunft Israels2.1.1.2 Der Blutruf in Mt 27,252.1.2. Die Juden als "Kinder des Teufels" im Johannesevangelium?2.1.3. Die bleibende Erwählung Israels bei Paulus2.2. Zwischenfazit: Die Verhältnisbestimmung von Juden und Christen im NT vor ihrem zeit- und religionsgeschichtlichen Hintergrund3. Die Entwicklung der christlichen Judenfeindschaft bis zum Antisemitismus des 20. Jahrhunderts4. Der Weg der Umkehr und Neuorientierung der christlichen Kirche nach 19454.1. Die Neugestaltung der christlich-jüdischen Beziehung von Seiten der katholischen Kirche4.1.1. Die Intention des Zweiten Vatikanums4.1.2. Die Erklärung Nostra aetate4.1.2.1. Zum Inhalt der Erklärung Nostra aetate4.1.3. Die Bedeutung und persönliche Bewertung von Nostra aetate für den christlich-jüdischen Dialog4.2. Die Neugestaltung der christlich-jüdischen Beziehung von Seiten der evangelischen Kirche4.2.1. Die "AG Juden und Christen" als Wegbereiter für einen christlich-jüdischen Dialog auf evangelischer Seite4.2.2. Die Breitenwirkung der "AG Juden und Christen"4.2.3. Die Bedeutung und persönliche Bewertung der Neuansätze innerhalb der evangelischen Kirche nach 19454.3. Die Maßnahmen zur Neugestaltung der christlich-jüdischen Beziehung und ihr Potenzial im Vergleich5. Gegenwärtige Entwicklung des christlich-jüdischen Dialogs5.1. Basis und Voraussetzung für einen interreligiösen Dialog5.2. Bleibende Herausforderungen und Desiderata im christlichjüdischen Dialog6. Fazit und Ausblick: Über die friedensstiftende Dimension des christlich-jüdischen Dialogs in der Perspektive hin zu einem interreligiösen DialogAbkürzungsverzeichnis7. Literaturverzeichnis7.1. Primärquellen7.1.1. Antike lateinische und griechische Texte7.1.2. Bibelausgaben7.1.3. Kirchliche Dokumente und Verlautbarungen7.1.4. Zum Thema Schule7.2. Hilfsmittel7.3. Lexikonartikel7.4. Sekundärliteratur7.5. Internetquellen

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