Es wird ja viel darüber gesprochen, wie wertvoll es ist, andere Perspektiven zu Wort kommen zu lassen. Ich habe aber lange kein Buch gelesen, in dem sich diese neue Perspektive so akut und drängend in den Stil, die Geschichten und die Attitüde eines Texts geschlichen hat. Kleine Kratzer von Jane Campbell ist der Debüt-Band einer achtzigjährigen Frau und ist geschrieben mit dem Zynismus, der Beobachtungsgabe und dem Swagger einer Lebenszeit. Man möchte sich verneigen vor der Menschenkenntnis, die in den so subtil-höflich vorgetragenen Tiefschlägen an die Welt und an den Männern und all den Leuten, die denken, die Welt verstanden zu haben.
Da geht es dann schon einmal in mörderische Räuberpistolen, akklimatisiert ans langsame Am-Pool-Liegen, es gibt düstere Nächte und Risse im Lack der Schickeria. Das wichtigste an diesem fantastischen Text ist aber wirklich, dass Campbell selbst im monotonsten Detail der Welt etwas Erzählenswertes entdecken könnte. Sie hat eine von diesem Schmöker-Stimmen, die so liebenswürdig und nahbar wirken, aber doch nie eine Sekunde in Frage stellen lässt, ob die Person hinter oder vor dem Buch gerade die Klügere ist. Nichts da: Campbell hat die Fäden in der Hand. Nach diesem Auftakt könnte man sich nur darüber beschweren, dass der Text nicht lang genug ist.