Jetzt hat es auch mich erwischt, ich liege bei geöffnetem Fenster im Bett und heftiger Husten hält mich vom Schlafen ab. In Görbersdorf, ein bisschen nach 1900, wird auch gehustet. Mitteleuropäisches Kurklima, Berge im Hintergrund, Körper abhören, Atmung entspannen, saisonale Delikatessen aus geplatzten Fischbäuchen. Genesen oder sterben. Männliche Gespräche von männlichen Stereotypen, der Wissenschaftler, der Künstler, der Philosoph, etc. Das Fieber setzt ein. Nach ein paar Seiten muss ich ständig an den Satz denken: Man muss die Klassiker gelesen haben. Und immer, wenn ich mit einem dieser Klassiker durch war, wusste ich mehr über die männliche Perspektive auf unsere Welt.
Fenster auf, frische Luft tut der Lunge gut. Der Horror von Empusion besteht nicht nur in den zart eingestreuten Albtraumbildern durch die Autorin, die die Leser:innen vollkommen unvorbereitet treffen, Olga Tokarczuk lässt die Zeit der Klassiker über Zunge und Lippen ihrer Figuren rinnen. Ab in die Gedärme klassischer Männlichkeit. Aber dieses Buch würde keine Empfehlung von mir bekommen, wäre da nicht ein Blick, etwas das sich im Getöse dieser Patienten und in der Stille der Berge verborgen hält. Etwas das aus diesem Buch entspringt, wie aus einem Kokon. Das neue Buch von Olga Tokarczuk, meine Köstlichkeit des Jahres 2023.