Jüdisches Denken - Theologie, Philosophie, Mystik 2

Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus, Jüdisches Denken - Theologie, Philosophie, Mystik 2

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593375137
Sprache: Deutsch
Umfang: 935 S.
Format (T/L/B): 5.9 x 23.4 x 16.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Kabbala ist heute ein Zauberwort und eine Mode, womit Gelehrte, Esoteriker und Scharlatane gerne die Welt erklären. Es gibt jedoch kaum ein Thema, über das so viel Unsinn und Falsches verbreitet wird. Ist die Kabbala Magie, Geheimlehre oder Philosophie? Band 2 der Geschichte des jüdischen Denkens bietet zum ersten Mal eine systematische Darstellung kabbalistischen Denkens.

Autorenportrait

Karl Erich Grözinger ist Professor emeritus für Religionswissenschaft und Jüdische Studien an der Universität Potsdam und war Senior Professor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Er ist Vorsitzender der Ephraim Veitel Stiftung, der ältesten und von ihm seit 2007 wiederbelebten jüdischen Stiftung in Deutschland.

Leseprobe

Vorwort Der zweite Band von Jüdisches Denken widmet sich ausschließlich dem, was im allgemeinen Bewusstsein als 'Jüdische Mystik' firmiert. Das sind die mittelalterliche und frühneuzeitliche Kabbala sowie der mittelalterliche und der spätere osteuropäische Hasidismus des 18./19. Jahrhunderts samt dessen Ausläufern in der Gegenwart. Der Leser dieses Bandes wird jedoch sehr bald erkennen, dass Kabbala und Hasidismus in erster Linie als esoterische Theologien zu betrachten sind, die wie die anderen Richtungen der jüdischen Theologie und Philosophie auch ihre mystischen Seiten haben. Die Kabbalisten nennen ihre Lehre darum Hochma nisteret, 'Verborgene Weisheit', was sich durch das schöne Kürzel HeN, mit der Bedeutung 'Huld' ausdrücken ließ. Überdies zeigt die Einfügung dieser esoterischen Theologien in das Denken der mittelalterlichen jüdischen Philosophen, die im ersten Band dargestellt wurden, dass Kabbala und Hasidismus sich als eine spezifische jüdische Synthese aus altrabbinischer Tradition und mittelalterlicher Philosophie darstellen, die man mit den Kabbalisten sehr wohl die Torat Emet, die 'Wahre Tora', also die vera philosophia judaica, des Mittelalters bezeichnen kann. Haben die mittelalterlichen jüdischen Philosophen den Versuch unternommen, die altjüdische Theologie, Kosmologie und Anthropologie mit den Mitteln der griechisch-arabischen Philosophie darzustellen, so haben die Kabbalisten den umgekehrten Weg beschritten. Sie haben die zentralen Gedanken der Philosophie in das Gewand der genuin jüdischen Traditionen gekleidet. Hier wird unter Berücksichtigung nicht hintergehbarer philosophischer Positionen Judentum mit den zentralen Themen jüdischen Denkens neu formuliert. Darum ist es nicht verwunderlich, dass die Kabbala bis in die Gegenwart, vor allem in Gestalt des Hasidismus, sich eine feste und weit ausgebreitete Bleibe im Judentum verschaffen konnte, während die Philosophie eher den Rückzug antrat, um erst durch die Aufklärung wieder in den Vordergrund treten zu können. Die Einfügung von Kabbala und Hasidismus in ihren mittelalterlichen geistigen Mutterboden hat zahlreiche neue Sichten und Seiten des kabbalistischen Denkens zutage gefördert, die weithin unbekannt sind. Gewiss hat die hiermit vorgelegte Darstellung reichen Gebrauch von den Ergebnissen der internationalen modernen Kabbala-Forschung gemacht, aber die auf ausgedehnte Quellenlektüre gestützte Zusammenschau hat doch viele neue Einsichten erbracht und bisher nicht dagewesene Deutungen ermöglicht. An dieser Stelle muss auch ein Wort zu der Abweichung von der dem deutschen Leser vertrauten Schreibung des Begriffs Chassidismus gesagt werden. Die hier verwendete Schreibweise, die im Übrigen in der wissenschaftlichen Welt allgemein verbreitet ist, wurde darum gewählt, um den vielen geläufigen Verballhornungen dieses Wortes vorzubeugen. Wie für den Hasidismus wurde für alle hebräischen Wörter eine Transkription angewandt, die einzig das Ziel verfolgt, im Munde des Nichthebraisten eine Aussprache zu erzeugen, die der hebräischen Aussprache mit Hilfe der deutschen Phonetik so nahe wie möglich kommt. Dieses Ziel steht vor dem System einer stets gleichen Wiedergabe hebräischer Buchstaben durch einen entsprechenden deutschen. Im Vergleich zum ersten Band wird der Leser auch feststellen, dass ihm im zweiten sehr viel mehr hebräische Wörter zugemutet werden, deren Übersetzung aber möglichst häufig in Klammern beigefügt wird. Diese Vermehrung des Hebräischen hat mit dem Gegenstand zu tun, der nicht nur, wie schon angedeutet, sich sehr viel stärker der alten hebräischen Tradition zuwendet, sondern aus der hebräischen Sprache einen zentralen Teil seiner Theologie macht, deren Übersetzung gleich der Übertragung von Poesie in eine andere Sprache schwierig, wenn oft fast unmöglich ist. Eine andere Unregelmäßigkeit neben der Transkriptionsweise, dieses Mal eine nicht freiwillig gewählte und noch weniger gerne angenommene, ist durch das über uns hereingebrochene Chaos der so genannten 'Rechtschreibreform' entstanden. Anfangs von mir mit Offenheit angenommen, hat sie sich zunehmend als Behinderung und abzulehnende Verarmung der Ausdrucksmöglichkeiten erwiesen und wurde hier in weitem Maße wieder zurückgenommen - soweit dies eben möglich war. Denjenigen Lesern, die schon im ersten Band eine zusammenfassende Bibliographie der zahlreichen herangezogenen Werke sowie ein Abkürzungsverzeichnis vermissten, sei an dieser Stelle angekündigt, dass dies für alle drei Bände dem dritten Band beigegeben werden wird, um so das Auffinden gekürzt zitierter Literatur zu erleichtern. Bis dahin muss ich den Benutzer um Geduld und Nachsicht für die Mühe bitten, die das Aufsuchen der vollen Titel macht. Ein Band wie dieser hier vorgelegte hat zwar einen Autor, aber viele, denen er zu Dank verpflichtet ist. Allen voran muss hier das Jerusalemer Institute for Advanced Studies genannt werden, das mir durch eine Einladung für ein halbes Jahr die Freiheit zum Schreiben und Forschen ohne Verpflichtungen in Lehre und Verwaltung ermöglichte. Jerusalem hat mit seinen reichen Schätzen an alter und neuer Literatur diesen Band in einer Weise bereichert, die in Berlin und Potsdam so nicht gegeben ist. Hinzu kommen die zahlreichen Gespräche und Anregungen der israelischen Freunde und Kollegen, welche diesem Band einen erkennbaren Stempel aufdrückten. Da waren die Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgruppe am Institut, Ronit Meros, Eli Yassif, Yehuda Liebes, Haviva Pedaya, Elhanan Reiner, Dina Stein, Joshua Levinson, Richard Kalmin, außerdem Moshe Idel, Moshe Hallamish, Bracha Sack, Rachel Elior und Haym Soloveitchik, Esther Liebes und ihre Mitarbeiter an der Gershom Scholem Bibliothek, ihnen allen sei gedankt. Ebenso danke ich dem Leiter des Instituts, Professor Benjamin Z. Kedar, und dessen Mitarbeiterinnen, die alles taten, um unseren Aufenthalt in Jerusalem angenehm und effektiv zu machen, Pnina Feldman, Smadar Danziger und Dalia Aviely. Ganz nahe am Text waren wieder die vertrauten kritischen Leser, Helga Völkening, für die erste Hälfte des Bandes, und der neu hinzugekommene Nathanael Riemer für dessen zweite Hälfte und die Gesamtredaktion, denen die Leser viel an Lesbarkeit des Textes zu verdanken haben. Die ersten Korrekturen in Jerusalem und die letzten in Berlin sind meiner Frau Elvira zu verdanken und der schwierige Satz, die Gestaltung des Layouts und des Registers wieder Sigrid Senkbeil an meinem Potsdamer Lehrstuhl. Zufrieden mit dem Erarbeiteten werde ich sein, wenn sich im Denken der Menschen, der Wissenschaftler wie der gebildeten Öffentlichkeit, die Einsicht und das bestimmte Wissen einprägen wird, dass mit der Hebräischen Bibel, dem Alten Testament der Christen, weder das Judentum noch dessen geistige Produktion zu Ende gekommen ist. Dass vielmehr gerade in nachbiblischer Zeit, durch die Jahrhunderte und Jahrtausende bis in die Gegenwart, das Judentum eine ungebrochene geistige, kulturelle und theologische Kreativität entfaltet hat, die das Judentum stetig und nachhaltig prägte, und dass der Versuch der Beschränkung des Jüdischen auf die biblische Tradition durch nichts zu rechtfertigen ist. Das Judentum ist, wie jede Kultur, nur da wirklich existent, wo der schöpferische Prozess voranschreitet, und wo dieser Prozess in seiner Fülle wahrgenommen wird. Ich sage dies angesichts des schmerzlichen Bewusstseins, dass hier nur ein kleiner Ausschnitt aus dieser schier grenzenlosen Fülle geboten werden kann.

Inhalt

VORWORT EINFÜHRUNG SEFER JEZIRA - 'DAS BUCH DER SCHÖPFUNG' - GRUNDLAGE UND VORAUSSETZUNG DER ASCHKENASISCHEN THEOLOGIE UND DER KABBALA 1. Das Buch der Schöpfung - Sefer Jezira 2. Gott und die Schöpfung 3. Die Einheit als zentrale Botschaft des Buches 4. Die 32 Wege der Weisheit - die Verbindung der Zahlen- und Buchstabentradition 5. Der Sefer Jezira und die Magie - der Erzvater Abraham DIE ESOTERISCHE THEOLOGIE DER ASCHKENASISCHEN HASIDIM 1. Gruppen und Texte 2. Der geistige Ort - zwischen Philosophie und antiker Onomatologie 3. Gott 4. Schöpfung von Welt und Mensch 5. Die ethischen Lehren DIE KABBALA I. DAS SEFIROTISCH-GNOSTISIERENDE MODELL A. Sefer ha-Bahir - 'Das Buch der Helle' 1. Das Buch und sein Charakter 2. Die Kabbala und die Gnosis - Gemeinsames und Trennendes 3. Gott und die Schöpfung 4. Die Herkunft des Bösen 5. Anthropologie 6. Gottesdienst als Theurgie 7. Namen, Buchstaben und Vokale - die Onomatologie B. Die kastilischen Gnostiker: Jaa¿¿akov und Jizchak ha-Kohen, Mosche aus Burgos und Todros ¿Abula¿¿afja 1. Die kastilischen Kabbalisten - ihr Ort in der Entfaltung der Kabbala 2. Gott und seine Offenbarung 3. Die Herkunft des Bösen 4. Die Kosmologie Jizchaks 5. Die gnostisierende Anthropologie - nach Moses aus Burgos II. PHILOSOPHISCH-ONOMATOLOGISCHE DEUTUNGEN DER TRADITION - DIE a¿¿IJJUN-TEXTE 1. Die Schriften des a¿¿Ijjun-Kreises - ihr Ort in der Entfaltung der Kabbala 2. Gott 3. Die vielfältige Rede vom Einen und die Lehre vom vierfachen Schriftsinn III. DAS SEFIROTISCH-PHILOSOPHISCHE MODELL A. Der provencalische Kreis - Jizchak der Blinde 1. Der provencalische Kabbalistenkreis 2. Jizchak Sagi Nahor - der Blinde 3. Gott 4. Der Kosmos 5. Der Mensch 6. Die Herkunft des Bösen B. Der Kabbalistenkreis von Gerona - a¿¿Asri¿el aus Gerona 1. Der Kabbalistenkreis von Gerona 2. Rabbi a¿¿Asri¿el aus Gerona 3. Gott 4. Urzeit - Weltzeit - Endzeit 5. Der Mensch IV. DAS ONOMATOLOGISCHE MODELL - JOSEF GIKATILLA - GINNAT ¿EGOS 1. Die Onomatologie, ihre Herkunft und ihr Ort im Rahmen der Kabbala 2. Der geistige Ort - zwischen Maimonides und Onomatologie 3. Gott 4. Kosmos 5. Der Mensch V. DAS PHILOSOPHISCH-GLOSSOSOPHISCHE MODELL - DIE PROPHETISCHE KABBALA - ¿AVRAHAM ¿ABULa¿¿AFJA 1. ¿Avraham ¿Abula¿¿afja, der Mensch und seine prophetische Kabbala 2. Gott und die Schöpfung 3. Der Mensch 4. Buchstabenkombinatorische Hermeneutik VI. DAS SEFIROTISCH-ONOMATOLOGISCHE MODELL - DER SPÄTE JOSEF GIKATILLA 1. Der späte Josef Gikatilla 2. Gott und die Welt 3. Die Herkunft des Bösen 4. Der Mensch 5. Die Aufgabe des Menschen VII. DIE GROSSE SYNTHESE - DER SOHAR A. Der Sohar B. Das philosophisch-rabbinische Modell: Der Midrasch ha-Nea¿¿elam 1. Geistiger Ort und Charakter des Midrasch ha-Nea¿¿elam 2. Die Schöpfung 3. Der Mensch 4. Aufgabe und Ziel des Menschen in der Welt 5. Der soharische Midrasch zu Ruth und sein Verhältnis zum Midrasch ha-Nea¿¿elam und zum Hauptteil des Sohar C. Das literarisch-mythologische Modell a. Der Sohar zur Tora 1. Die literarische Form des Sohar 2. Die Entsprechungslehre als hermeneutischer Schlüssel zum Verständnis des Sohar 3. Die Gottheit 4. Der Kosmos 5. Die Herkunft des Bösen in der Welt 6. Der Mensch 7. Die Tora und das Ziel des Menschen b. Raa¿¿ja Mehemna und Tikkune ha-Sohar 1. Literarische Form und Charakter der beiden Werke 2. Gott - ¿En Sof und die Sefirot 3. Die Welt - als vierstufige Hierarchie 4. Der Mensch 5. Die Tora und ihre Gebote VIII. DAS KOSMOSOPHISCH-WISSENSCHAFTLICHE MODELL - JIZCHAK LURJA 1. Die 'Schriften des ¿Ari' - das Geflecht der Editionen 2. Lurjas Lehre - Mythos oder 'Wissenschaft'? 3. Gott und Welt 4. Der M ...

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