Beschreibung
Band II der überarbeiteten und korrigierten Zweitauflage der Werkausgabe (1991) der Bayerwalddichterin Emerenz Meier (1874-1928) enthält ihre Gedichte und Briefe sowie Vermischtes aus ihrem literarischen Nachlaß. - Die lyrischen Texte der Dichterin reichen von ironisch-humorvollen Mundartversen (DNebnsach) und idyllisierender Bayerwaldpoesie (Mein Wald, mein Leben) bis zu ernster, philosophisch-politischer Gedankenlyrik in freien Rhythmen (Zu Sais) oder gereimt (An Wilson); sie sind oft hart und nüchtern, aufrüttelnd und kritisch-anklagend (Wödaschwüln), aber auch empfindsam-verklärend (Zwischen Wachen und Schlafen), leise (An Auguste), immer aber sprachlich präzise und pointiert (Stoßseufzer, Lieder aus dem Elend). - Ihre gesammelten Briefe weisen die Verfasserin als stets wache, gesellschaftlich und politisch selbstbewußt und selbständig denkende Zeitgenossin aus, die sich über Gott und die Welt in kraftvoller Sprache ihre Gedanken macht und sich nicht diskret zurückhält mit ihren radikalen Meinungsäußerungen, auch wenn sie damit die Briefempfänger (Auguste Unertl genauso wie Hans Carossa) - vor allem mit ihren Briefen aus Chicago - mitunter vor den Kopf stößt. Man kennt die atheistisch-marxistische, emanzipiert-kritische Kämpferin erst dann, wenn man ihre Briefe liest! Eine meist auf-, aber immer anregende Lektüre! -Die vermischten Texte aus dem Nachlaß, etwa Ich bin des freien Waldes freies Kind, runden schließlich das Bild dieser leidenschaftlich-verträumten Dichterin ab und fördern neue, unbekannte Seiten an ihr zu Tage. Emerenz Meier - die außergewöhnliche Frau und Dichterin - ist immer wieder für Überraschungen gut und immer noch unergründlich und rätselhaft-geheimnisvoll, so wie der Wald, aus dem sie stammt!
Autorenportrait
Der Herausgeber, Dr. phil. Hans Göttler (*1953), ist Akademischer Direktor für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Passau, Schriftsteller, Vorleser und Münchner Turmschreiber.
Leseprobe
Vorwort des Herausgebers zur Erstauflage 1991 Mehr als sechzig Jahre nach dem einsamen Tod der niederbayerischen Dichterin Emerenz Meier (1874-1928) im fernen Chicago erscheinen nun ihre Gesammelten Werke. In der vorliegenden zweibändigen Ausgabe sind Erzählungen und Erzählfragmente, Gedichte, Briefe und sonstige Dokumente enthalten. Damit ist zum erstenmal ein Blick auf das Gesamtschaffen der Schriftstellerin möglich, die im Alter von knapp zwanzig Jahren als sogenannte Heimatdichterin zu schreiben begann, aber schon frühzeitig, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg, immer wieder versuchte, über die sie beengenden Grenzen einer solchen literarischen Existenz hinauszugelangen. Ihre Bindungen an Elternhaus und Heimat, ihre Bildungsvoraussetzungen und ihre mißliche soziale Situation beeinträchtigten dabei häufig ihren Drang zu persönlicher Unabhängigkeit und dichterischer Selbstverwirklichung. Der junge Hans Carossa, der sie 1898 in ihrem Heimatort Oberndorf bei Waldkirchen im Bayerischen Wald besuchte, wurde dort als einer der ersten Zeuge der zahlreichen Kämpfe, die im Inneren der nach dem Erscheinen ihres Buches 1897 berühmten Bayerwalddichterin tobten. Neben den Konflikten mit der Familie und einzelnen Zeitgenossen dominierte dabei schon in der Heimat ihre kritische und ablehnende Haltung gegenüber allen autoritär-patriarchalischen Erscheinungsformen in Staat, Gesellschaft und Kirche um die Jahrhundertwende, die ihrem Verständnis eines freien Menschentums zuwiderliefen. Diese Einstellung schlägt sich in ihren Werken nieder, vor allem in ihrer Lyrik und in ihren Briefen, besonders deutlich in ihrer amerikanischen Zeit, als sie Distanz zum früheren Leben gewonnen hatte und keine gesellschaftliche Rolle als vielfach bestauntes schriftstellerisches Naturtalent mehr zu spielen brauchte. Carossa war einer der ganz wenigen Zeitgenossen, die sie hinter ihre Maske von der urigen, trinkfesten Heimatdichterin blicken ließ. Es verwundert nicht, daß gerade in unserer Zeit ein großes Interesse an diesem doch recht außergewöhnlichen Leben einer Frau im Altbayern des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts besteht, einem Leben voller Erfolge und Mißerfolge, Irrtümer und Widersprüche, Einsichten und Sehnsüchte. In den vergangenen Jahren bemühten sich vor allem Theater und Film darum, Emerenz Meier einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Joseph Berlinger brachte 1980 sein Theaterstück 'Emerenz' über die bayerische Dichterin, Wirtin und Emigrantin auf die Bühne, indem zum erstenmal die 'andere'Seite der Heimatdichterin thematisiert wurde. 1986 folgte im Bayerischen Fernsehen (Wiederholung 1990) ein Dokumentarfilm von Erich Reißig mit dem Titel 'Ein Leben in den Wäldern', der den Lebensweg der Dichterin nachzeichnete. Im selben Jahr begann Jo Baier mit den Dreharbeiten zu seinem Fernsehfilm 'Schiefweg', der die Kindheit der Emerenz zum Thema hat. Der mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnete Film wurde seit 1987 inzwischen sechsmal im Fernsehen ausgestrahlt. 1991 schließlich folgte Jo Baiers Fortsetzung von 'Schiefweg', der Kinofilm 'Wildfeuer'. Im Theaterstück wie auch in den Filmen steht vor allem das Leben der Emerenz Meier im Mittelpunkt; einzelne literarische Texte der Autorin konnten innerhalb dieser Medien naturgemäß nicht in den Vordergrund gerückt werden. Die 'ganze' Emerenz Meier anhand ihrer Werke näher kennenzulernen, ermöglicht nun die vorliegende Edition, indem sie auch bisher unveröffentlichte Texte der Autorin nun geschlossen zugänglich macht. Der erste Band dieser Werkausgabe enthält alle Erzählungen und Erzählfragmente der Dichterin. Am Anfang stehen die vier Geschichten, die in der Buchausgabe von 1897 abgedruckt waren, dem einzigen Buch, das zu Lebzeiten der Emerenz Meier erschien und von dem Preßburger Literaturprofessor Karl Weiß-Schrattenthal unter dem Titel 'Aus dem bayrischen Wald' herausgebracht wurde. Neben 'Die Madlhüttler', 'Aus dem Elend' und 'Der Brechelbrei' ist gerade 'Der Juhschroa' - auch unter dem Titel 'Ein lustiges Weib' veröffentlicht - als kleines Meisterwerk der jungen Schriftstellerin hervorzuheben. Sie schildert darin knapp und pointiert, ohne Rührseligkeit, die packende Lebensgeschichte einer gesellschaftlichen Außenseiterin in einem Waldlerdorf am Ende des 19.Jahrhunderts. Die Erzählung dokumentiert ganz augenfällig den Rang ihrer Verfasserin und deren Bedeutung für die kritische Heimatliteratur unserer Tage. Weitere Geschichten in der Art des 'Juhschroa' sollten folgen, etwa 'Der Lumpenvater', das 'männliche' Gegenstück zur ersten Erzählung von dem lustigen Weib, das mit einem schrillen, langgezogenen Todesschrei sein kümmerliches und doch bewegtes Leben beendete. Innerhalb des ersten Bandes finden sich dann die Erzählungen etwa 'Der G'schlößlbauer', 'Vefi oder Die Christkindlspieler' oder 'Der Scheib'nhofbauer', die um die Jahrhundertwende in Zeitungen, Zeitschriften und Kalendern (z. B. Bayerland, Neuer Passauer Schreibkalender) erschienen, aber seitdem kaum noch greifbar waren, zumindest nicht im Originaltext, da verschiedene Bearbeiter sie gekürzt und anderweitig verändert herausgebracht haben. Diese Texte zeigen die ganze Bandbreite der Epikerin Emerenz Meier: von der eher sentimental-trivialen Heimatgeschichte (z. B.'Die Müllermagd' oder 'Maiandacht') über die historische Erzählung (z. B. 'Alharde Kalchin') und Sagennachgestaltung (z. B. 'Waldlore') bis hin zu der an Ludwig Thoma erinnernden humorvollen Bauernerzählung 'Die Brautschau' und zur Prosa im realistisch-naturalistischen Stil, etwa in 'Dorl und Deutl'. Diese Geschichte, die in Deutschland veröffentlicht wurde, als Emerenz Meier bereits in die USA ausgewandert war, hielt sie später für ihre beste. Neben diesen bereits einmal veröffentlichten Texten enthält die Ausgabe auch solche, die aus dem literarischen Nachlaß der Dichterin stammen und bisher noch ungedruckt waren. Hierzu zählen 'Die Seele der Heimat', 'Die beiden Wohltäter', 'Mutterseelenallein', 'Ein Besuch', 'Bella' und 'Ein Ferientag dreier Gassenbuben'. Zum Teil sind diese Texte in Amerika entstanden bzw. in den USA noch einmal in amerikanische Schreibhefte niedergeschrieben worden, ohne daß dabei eine genauere Datierung möglich wäre. Diese Prosaskizzen sind von recht unterschiedlicher literarischer Qualität, zeigen aber deutlich, daß Emerenz Meier sich immer mehr von ihren frühen Veröffentlichungen als Heimatdichterin distanzierte und andere Formen und Inhalte des Schreibens versuchte. So berührt beispielsweise 'Die Seele der Heimat' das heute so aktuelle Thema Natur und Umweltschutz und zeigt damit deutlich, daß Emerenz Meier schon vor fast hundert Jahren - vereinfacht ausgedrückt von 'grünen' Gedanken bewegt wurde. Diese Gruppe von Texten belegt aber auch die Tatsache, daß Emerenz Meier in ihrer amerikanischen Zeit immer wieder literarisch tätig wurde und damit keineswegs in der Fremde als Schriftstellerin verstummte. Nach dem Tod ihres zweiten Mannes trug sie sich auch wieder mit dem Gedanken, einige ihrer Texte zu publizieren. Doch Krankheit und Tod machten diese Pläne zunichte. Um das Bild von der Epikerin Emerenz Meier abzurunden, wurden in den ersten Band auch ihre erzählerischen Fragmente aufgenommen. Besonders breiten Raum nimmt dabei ihr unvollständiges Werk 'Die Natternkrone' ein. Von ihrem Plan, eine große Geschichte mit diesem Titel zu schreiben, erzählte Emerenz Meier schon dem jungen Carossa bei dessen oben erwähntem Besuch 1898.'. das ganze Waldlandleben sollte hineinverwoben werden samt Götter- und Geistersagen', so schilderte Carossa 1941 im Rückblick die dichterischen Absichten der Emerenz zu diesem Thema. Der Text dürfte also im Winter 1898/99 entstanden sein. Bei ihrer Emigration nahm Emerenz Meier das Manuskript dieser Großerzählung mit in die USA. Von dort kehrte es bereits als Fragment, ohne das 1. Kapitel und den Schluß, zusammen mit dem anderen literarischen Nachlaß nach Deutschland zurück, wo sich die Waldkirchener Emerenz-Freundin Auguste...