Beschreibung
Band I der Gesammelten Werke der Dichterin Emerenz Meier (1874-1928) enthält alle ihre vollständigen Erzählungen und Geschichten aus den Jahren 1893 bis zu ihrem Tod, z. T. bei Lebzeiten veröffentlichte, z. T. aber auch erst posthum herausgebrachte Texte; angefangen mit ihrer allerersten ironisch-witzigen Geschichte sHasenpassen und der tragischen Erzählung Ein lustiges Weib (Der Juhschroa), die authentisch die packende Lebensgeschichte einer gesellschaftlichen Außenseiterin aus dem Bayerwald am Ende des 19. Jahrhunderts thematisiert. In diesem Band begegnen einem dann die vielen frühen einfühlsamen, aber auch oft gesellschaftskritischen Geschichten einer jungen Autorin, die damals nur in Zeitungen, Zeitschriften und Kalendern und ihrem einzigen Buch Aus dem bayrischen Wald (1896/97) abgedruckt waren, und zuletzt die heiter-traurigen Erzähltexte, z. B. Bella, die im Exil in Chicago/USA ab 1906/07 entstanden sind. Diese dreißig epischen Einzelstücke bieten eine oftmals überraschende Prosa, meistens hart und aufrührerisch, aber auch wieder sanft und verträumt; sie stellen, mehr als hundert Jahre nach ihrer Entstehung, immer noch ein echtes Leseereignis in der heutigen Zeit dar, da ihre Themen Natur- und Umweltbewusstsein, Frauenemanzipation, Heimaterfahrung und -entfremdung sowie Auswanderung und Migration u. v. a. aus der oft renitenten Perspektive einer schreibenden Frau gerade heute wieder von besonderer Aktualität und gesellschaftlicher Relevanz sind. Michaela Karl, die Emerenz Meier 2004 in ihr Buch Bayerische Amazonen aufgenommen hat, ist zuzustimmen, wenn sie schreibt: Heute ist Emerenz Meier fest verwurzelt in der bayerischen Literaturgeschichte und ihre [] Erzählungen leben auch in jüngeren Generationen weiter, sind sie doch nicht nur Zeugen einer vergangenen Zeit, die längst der Verklärung anheim gefallen ist, sondern lebendige Erinnerung an eine rebellische Frau, deren Horizont immer größer war als das Denken ihrer Zeit dies zulassen wollte. Der Herausgeber, Dr. phil. Hans Göttler (*1953), der sich seit Mitte der 1980er Jahre mit Leben und Werk von Emerenz Meier beschäftigt und zum 150. Geburtstag der Dichterin am 3. Oktober 2024 eine Biographie über sie (Emerenz Meier, Sanfte Rebellin zwischen Bayerwald und Chicago, Regensburg: Pustet, 2024) vorgelegt hat, war von 1983 bis 2020 als Akademischer Direktor für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Passau tätig und ist seit seiner Pensionierung weiter als Schriftsteller und Vorleser im Einsatz für die Bairische Literatur und Sprache; seit 2005 ist er Mitglied der renommierten Literatenvereinigung Münchner Turmschreiber.
Leseprobe
Vorwort des Herausgebers Den Namen Emerenz Meier habe ich wohl aus Anlass ihres 100. Geburtstages am 3. Oktober 1974 zum ersten Mal bewusst wahrgenommen. Damals erschien im Verlag Morsak Grafenau ein kleines, 176 Seiten umfassendes Bändchen von ihr, herausgegeben von Hans Bleibrunner und Alfred Fuchs, mit dem Titel Aus dem Bayerischen Wald und dem Untertitel Erzählungen - Gedichte. Der Buchtitel von 1974 sollte also ganz bewusst an den der ersten Emerenz-Meier-Veröffentlichung aus dem Jahre 18896/1897 anschließen, - Aus dem bayrischen Wald - in der vier Erzählungen, nämlich Aus dem Elend, Ein lustiges Weib, Der Brechelbrei und Die Madlhüttler enthalten waren. Diese vier Geschichten wurden - geringfügig bearbeitet - wiederum in die Morsak-Verlag-Neuausgabe von 1974 aufgenommen, dazu kamen elf Gedichte der Bayerwalddichterin (Mein Wald - mein Leben, Der Wasservogel, Der Säumer, Väterliche Ermahnung, Unverbesserlich, Zwischen Wachen und Schlafen, Spinnabend, Widmung, Wödaschwüln, Mißgeschick, An Auguste Unertl), die mit weiteren neun Gedichttexten schon einmal 1954 in einer von Max Peinkofer (1891-1963) herausgegebenen und in der Neue-Presse-Verlags-Gesellschaft Passau erschienenen Gedichtauswahl publiziert worden waren. Das Buch von 1974 enthielt, quasi als Vorwort, außerdem ein z. T. gekürztes und aktualisiertes Lebensbild der Dichterin aus der Feder von Max Peinkofer, das 1954 in der kleinen, eben erwähnten Gedichtsammlung abgedruckt gewesen war, und als Abschluss unter dem Titel Begegnung Emerenz Meiers mit Hans Carossa z. T. leicht veränderte Auszüge aus Hans Carossas Lebenserinnerungsbuch Das Jahr der schönen Täuschungen (1941). In Hans Carossas Originalausgabe sind diese Passagen, in denen der Dichter - mehr als vierzig Jahre später - seine Begegnung mit Emerenz Meier im Sommer 1898 in Oberndorf bei Waldkirchen schildert, in dem Kapitel Die Wanderung enthalten. Die Neuausgabe von Emerenz Meiers Buch von 1974 - mit Zeichnungen des Kunstmalers Josef Fruth aus Fürsteneck versehen - erlebte 1987 eine zweite und 1993 eine dritte jeweils unveränderte Auflage und stellte über viele Jahre hinweg das einzige Buch der Bayerwalddichterin dar, das im Buchhandel erhältlich gewesen war. Ob ich das Buch damals als junger Münchener Germanistikstudent dann auch gelesen habe, weiß ich heute gar nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass es mir der Buchhändler meiner Heimatstadt Simbach am Inn, Anton Pfeiler, mit den Worten Das musst lesen! ans Herz gelegt hatte. Da meine Bereitschaft, mich mit bayerischer Literatur intensiv zu befassen, damals aber noch nicht allzu stark ausgeprägt war, musste meine Begegnung mit dem Werk Emerenz Meiers noch länger warten. Da kamen zuerst die Werke der Bayern Wilhelm Diess, Max Peinkofer und Hans Carossa und wollten von mir entdeckt werden. EmerenzForschungsauftrag in der SZ 1987 In der zweiten Hälfte der 80er-Jahre des 20. Jhs. dann war es aber endlich für mich so weit, meinen langen Weg zu Emerenz Meier bewusster anzutreten. Die Münchener Autorin Anne Rose Katz veröffentlichte im Juli 1987 in der Süddeutschen Zeitung eine sehr einfühlsam geschriebene Erinnerung an die Heimatdichterin Emerenz Meier. Katz wählte dazu als Überschrift Die sanfte Rebellin, ein - wie mir schien - recht treffendes Wort, das ursprünglich erstmals von Hans Carossa 1941 in seinem Buch Das Jahr der schönen Täuschungen geprägt wurde und seitdem immer wieder Anwendung auf die außergewöhnliche Erscheinung der Emerenz Meier gefunden hatte und noch findet, z. B. hier und jetzt als Teil des Untertitels dieser kleinen Biografie. Der Artikel von Anne Rose Katz hat mich damals wachgerüttelt, vor allem durch seine geradezu insistierend formulierte Frage, ob es denn in Passau an der neuen Universität keinen Germanisten gäbe, der sich all der unedierten Schriften der Emerenz Meier, die seit 1962 im Tresor der Staatlichen Bibliothek Passau ruhten, annehmen und sie zu einem Buch formen würde. Von dieser Frage fühlte ich mich - seit 1983 als Deutschdidaktiker an der Passauer Universität tätig - so stark angesprochen, dass ich mich schon bald in das Bibliotheksgebäude an der Michaeligasse begab und mit der Sichtung der Papiere, aufbewahrt in mehreren Pappkartons, begann. Mein Interesse an der bayerischen Literatur war inzwischen in ausreichendem Maße vorhanden; und nachdem mir endlich bewusst geworden war, dass Emerenz Meier als niederbayerische Gastwirtstochter aus Schiefweg mit mir als niederbayerischem Gastwirtssohn aus Simbach am Inn herkunftsmäßig eine deutliche Ähnlichkeit aufwies, gab es für mich kein Halten mehr: Ich musste einfach ihr Herausgeber am Ende des 20. Jhs. werden. Frau Katz von der SZ hatte - gleichsam wie eine Lehrerin in der Schule - aufgerufen, ich hatte mich gemeldet, und schon gings los! Fast etwas zu schnell und überstürzt, wie ich heute - mehr als 35 Jahre später - mitunter meine. Schon ein Jahr danach durfte ich mich in Sachen Emerenz Meier zu Wort melden: meinen Kolleginnen und Kollegen vom Arbeitskreis Bayerischer Universitäts-Deutschdidaktiker konnte ich von meiner Emerenz Meier Bericht erstatten; und der damalige Schulleiter des zu der Zeit noch namenlosen Gymnasiums Waldkirchen, Oberstudiendirektor Rudolf Bergmann, lud mich zu einem öffentlichen Vortrag an seiner Schule über die Dichterin ein. Dabei bin ich auch schon einmal richtig erschrocken vor der editorischen Aufgabe, der ich mich da verschrieben hatte, als mich nämlich jemand in der anschließenden Diskussion nach den genauen Verwandtschaftsverhältnissen der Meiers aus Schiefweg und Oberndorf befragte und ich da nun beim besten Willen keine rechte Auskunft geben konnte. Mein EmerenzLebensprojekt beginnt 1988/89 Die Arbeit ging voran, manchmal langsamer, manchmal schneller. Der ungeordnete literarische Nachlass musste durchforstet werden, immer wieder gab es Fragen, Unklarheiten, Missverständnisse, manchmal auch Irrtümer, von denen einige bis zur Drucklegung der Gesammelten Werke der Dichterin nicht mehr ausgeräumt werden konnten. Viele Menschen haben mich auf der Suche nach der ganzen Emerenz unterstützt, die Dankadresse in der im November 1991 erschienenen Werkausgabe ist fast zwei Seiten lang. Die tatkräftigste Unterstützung erfuhr ich damals aber von der inzwischen verstorbenen Frau Diplombibliothekarin a. D. Paula Wachtfeichtl aus Passau/Obernzell und von Frau Elfriede Geiger, meiner Sekretärin; beiden Damen auch heute noch einmal ein ehrliches Vergelts Gott! 1989 das Buch mit den Werken meiner Emerenz selbst war noch lange nicht fertig machte ich mich schon einmal auf die Suche nach einem geeigneten und mutigen Verlag. Viele Absagen, angereichert mit ermunternden Bemerkungen, das verdienstvolle Projekt nur ja möglichst bald zu verwirklichen, trafen ein. Ein großer Passauer Verlag ließ sich mit der Prüfung des Manuskripts sehr lange Zeit, um sich dann doch bedauernd zurückzuziehen. Der Wald ruft hieß es für mich im Herbst 1989: der bekannte Grafenauer Morsak Verlag rief bei mir in Person des Chefs Erich Stecher an und bekundete das große Interesse, nach dem kleinen Emerenz-Meier-Bändchen von 1974 nun auch die große Ausgabe auf den Markt zu bringen. Und es sollte natürlich alles schnell gehen und möglichst schon vorgestern alles fertig sein! Als hoffnungsvoller Jung-Editor in spe, 37 Jahre alt und schon fast am Ende der eigenen Sturm- und Drangzeit angelangt, sagte ich trotz aller Selbstzweifel und Fragen zu und freue mich auch heute noch über das damalige Ja-Wort an den Morsak Verlag. Der leider schon verstorbenen Frau Juliane Stecher, geb. Morsak, - der tatkräftigen guten Seele des Verlags - und ihrem Gatten Erich Stecher, der auch heute noch als Buchverleger sehr rührig ist, sei ein weiteres Vergelts Gott meinerseits dankbar gewidmet. Es eilte! Inzwischen hatte ich nämlich in Erfahrung gebracht, dass der Münchener Regisseur und Filmemacher Jo Baier einen großen Kinofilm über die Dichterin aus Schiefweg plante, der im Herbst des Jahres 1991 in die Filmtheater k...
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