Beschreibung
Bei einer Theateraufführung begegnet Nina Althaus, 38jährige West-Berlinerin, unverhofft der mondänen Maria Conti wieder - einer langjährigen Vertrauten aus Kindertagen, die mittlerweile die Achtzig überschritten hat. Maria ist in Begleitung ihrer Nichte, der erfolgreichen Ost-Berliner Schauspielerin Michelle Odebrecht. Nina und Michelle kommen sich behutsam näher. Doch der Weg zueinander erfordert die Aussöhnung mit der Vergangenheit, die von persönlichen Enttäuschungen und politischen Umbrüchen geprägt ist.
Autorenportrait
Claudia Breitsprecher ist 1964 in Westfalen geboren und in Berlin aufgewachsen, wo sie auch heute mit ihrer Frau lebt. Sie studierte Soziologie, Psychologie und Politik an der Freien Universität Berlin und arbeitete nach ihrem Abschluss als Diplom-Soziologin im Bildungs- und Sozialbereich. Nach ersten Kurzprosa-Veröffentlichungen in Anthologien Ende der 90er Jahre schreibt sie heute sowohl literarische als auch Sachtexte. 2002 erfolgte ihr Sachbuchdebüt mit einem Band über Mutter-Tochter-Beziehungen: 'Das hab ich von dir', gefolgt von 'Bringen Sie doch Ihre Freundin mit! Gespräche mit lesbischen Lehrerinnen'. 2005 erschien ihr Debütroman, 'Vor dem Morgen liegt die Nacht', dem im Sommer 2012 mit 'Auszeit' der zweite Roman folgte. Zu Claudia Breitsprechers weiteren Veröffentlichungen gehören 'Ende der Schonfrist', eine Erzählung in der Anthologie 'Fein & gemein. Rachegeschichten' und 'Little Boy', mit der sie 2007 den 3. Preis des 6. Autorinnenforums Berlin-Rheinsberg gewann. 2011 wurde Claudia Breitsprecher von der Autorinnenvereinigung e.V. zur 'Autorin des Jahres' gewählt.
Leseprobe
'Woran denkst du?' fragte Michelle. 'Ich dachte gerade, wie schön es ist, jetzt hier am See zu sein.' Nina lächelte sie an. 'Gut', antwortete Michelle, und ihr Ton klang beiläufig. 'Ich muss gestehen, es war in gewisser Weise eine Verlegenheitslösung, dich zu diesem Picknick einzuladen. Ich wollte dir eigentlich etwas Schönes kaufen, aber ich hatte keine wirklich tolle Idee.' Nina war irritiert. Eine Verlegenheitslösung? Was hatte denn das zu bedeuten? Sie dachte an die lange Autofahrt, auf der Michelle neben ihr gesungen hatte. Sie betrachtete die Köstlichkeiten, die vor ihr auf der Decke ausgebreitet waren. Sie erinnerte sich daran, wie Michelle sie auf die Wange geküsst hatte. Eine Verlegenheitslösung? Nina verstand gar nichts mehr. Sie wollte nicht, dass dieser gemeinsame Ausflug bedeutungslos war. 'Alles okay?' Michelle musterte sie fragend. War ihr Blick nicht aufmerksam? Lag nicht sogar eine Spur von Zärtlichkeit darin? Oder war Nina zuviel allein gewesen, um Michelles Reaktion richtig deuten zu können? 'Jaja', antwortete sie nervös. Verflogen war das Gefühl von Nähe, das sie eben noch empfunden hatte. 'Ich hätte dir gerne ein Geschenk gemacht.' Michelles Stimme klang nun wieder sanft. Nina spürte ihren Worten nach, und eine plötzliche Entschlossenheit erfasste sie. Sie rückte näher an Michelle heran, so nah, dass sie einander beinahe berührten. Dann sah sie ihr in die Augen. 'Mach mir ein Geschenk', flüsterte sie, und dann küsste sie Michelle