Geopolitische Machtspiele

Wie China, Russland und die USA sich in Stellung bringen und Europa immer stärker ins Abseits gerät, Olzog-Edition

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783957682352
Sprache: Deutsch
Umfang: 340 S., 43 s/w Illustr.
Format (T/L/B): 2.2 x 22.7 x 15.1 cm
Auflage: 1. Auflage 2022
Einband: Paperback

Beschreibung

Russland führt einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine ohne jegliche Rücksicht auf das Völkerrecht, China bedroht Taiwan in seiner Existenz, die USA, Großbritannien und Australien schließen einen Verteidigungspakt - derzeit erleben wir im globalen Kräfte- und Mächtespiel massive Veränderungen und machtpolitische Verschiebungen. Die USA sehen sich durch den Aufstieg Chinas zu einem zentralen Global Player vor ganz neuen Herausforderungen. Parallel strebt Russland ebenfalls mit allen (militärischen) Mitteln und ohne Rücksicht auf Verluste wieder eine stärkere Machtstellung an und Europa präsentierte sich bis vor ­wenigen Wochen noch als zerstrittener und verunsicherter Kontinent, tritt aber angesichts des Ukraine-Kriegs gegenüber dem russischen ­Aggressor geeint auf und verhängt massive Sanktionen. Und das angesichts einer fragilen künftigen Energie- und Rohstoffversorgung und zunehmender Migrationsströme aus Afrika und dem Nahen Osten, insbesondere Richtung Deutschland. All diese Ereignisse der letzten Monate und Jahre haben eines gemeinsam - sie sind großenteils geopolitischer Natur bzw. haben geopolitische Auswirkungen. Geopolitisches Denken ist für die Beurteilung unserer Gegenwart und Zukunft somit unverzichtbar. Zu Recht ist daher die Geopolitik in aller Munde, nur in Deutschland fristet sie nach wie vor ein Schattendasein. Seit Jahrzehnten wurden geopolitische Ansätze mehr oder weniger durch die verantwortliche Politik bewusst gemieden, verbunden mit gravierenden Folgen wie z.B. einer zunehmenden außen- und sicherheitspolitischen Außenseiterrolle. Martin Grosch möchte daher mit seinem Buch einen Beitrag leisten, den Blick für die Geopolitik anhand global oder regional bedeutender Staaten als geostrategische Akteure oder als geopolitische Dreh- und Angelpunkte wieder zu schärfen. Dabei zeichnet er die geografischen, historischen und kulturellen Hintergründe aktueller geopolitischer Ereignisse und ­Konflikte nach und warnt eindringlich davor, dass Deutschland als europäische Führungsmacht es sich nicht leisten kann und darf, vor geopolitischen Handlungen und Ereignissen die Augen zu verschließen.

Autorenportrait

Dr. Martin Grosch, geboren 1969, Ministerialrat, Studium der Geschichte und Geographie in Marburg, Promotion zum Thema Johann Victor Bredt. Konservative Politik zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. Eine politische Biographie. Langjährige Tätigkeit als Lehrer für Geschichte, Erdkunde, Politik und Wirtschaft an Oberstufengymnasien. Dort Durchführung zahlreicher geo- und sicherheitspolitischer Seminare. Vorträge an der Universität Köln und an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg zu historischen und geo- bzw. sicherheitspolitischen Themen und Lehrauftrag 2009/10 an der Universität Köln zum Thema Karten im Geschichtsunterricht. Mitglied der Namibia Scientific Society, der Scientific Society Swakopmund und des Arbeitskreises Militärgeschichte. Oberstleutnant d.R., derzeit beordert beim Landeskommando Hessen als Pressestabsoffizier. Zahlreiche Reisen in das südliche Afrika, in den Nahen Osten, China, Russland und Osteuropa. Dabei intensiver Austausch mit relevanten Akteuren und Recherche vor Ort.

Leseprobe

Einleitung: Politik ist immer ein Spiel von Macht und Herrschaft, von Interessen und deren Durchsetzung. Dies gilt auf innen-, gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Ebene genauso wie im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Bündnisse und Kooperationen kommen und gehen, Beziehungen zwischen Staaten untereinander wandeln sich im Laufe der Jahrzehnte. Es gibt auf der einen Seite stabile Formen der Zusammenarbeit, die auf gemeinsamen Werten und Ideen basieren, andererseits existieren auch immer wieder kurzlebige, rein zweckorientierte Allianzen. Bei allen Varianten gilt aber bis heute ein entscheidender Grundsatz: 'Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen.' Dieses Charles de Gaulle zugeschriebene, aber auch auf weitere berühmte Staatsmänner wie Winston Churchill oder Otto von Bismarck anwendbare Zitat erhält aktuell mit dem Angriffskrieg Russlands gegenüber der Ukraine seit dem 24.Februar 2022 leider eine Bestätigung in extremer Form, verdeutlicht aber wie kein anderes den notwendigen realpolitischen Ansatz innerhalb der internationalen Beziehungen zwischen Staaten und Bündnissen. Historische Beispiele sind das von Großbritannien über Jahrhunderte gepflegte Prinzip der 'Balance of Power' oder der US-amerikanische Isolationismus in Kombination mit der Monroe-Dok­trin von 1823. 'Amerika den Amerikanern' bzw. 'America first' war und ist eben keine neue von Donald Trump in die Welt gesetzte Idee, sondern schon immer ein grundlegendes außen-, sicherheits- und geopolitisches Interesse der USA, wie im weiteren Verlauf des Buches erläutert wird. Ungeachtet solch langfristiger geo- und außenpolitischer Prinzipien und Parameter bedeutender Staaten erleben wir zurzeit im globalen Kräfte- und Mächtespiel größere Verschiebungen. Die USA sehen sich durch den Aufstieg Chinas zu einem zentralen Global Player, wie auch durch veränderte Konstellationen im Nahen und Mittleren Osten vor neuen Herausforderungen. Russland strebt - scheinbar mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf Verluste - wieder eine stärkere Machtstellung an, und Europa präsentierte sich bis vor wenigen Wochen noch als eher zerstrittener und verunsicherter Kontinent, tritt aber angesichts des Ukraine-Kriegs gegenüber dem russischen Aggressor geeint auf und verhängte massive Sanktionen, wie u.a. den Ausschluss Russlands aus dem Swift-Bankensystem. Unabhängig davon werden in Europa künftig aber auch Fragen der Energieversorgung ebenso diskutiert werden müssen, wie der damit einhergehende Klimawandel. Ethnische und religiöse Konflikte, Migrationsströme aus Afrika und dem Nahen Osten, aus von Bürgerkriegen zerrissenen Ländern, stellen die EU ebenfalls vor massive Herausforderungen. Was dies alles für die Zukunft der Welt insgesamt und die Verteilung von Macht und Einfluss bedeuten wird, ist derzeit nur schwer abzuschätzen. Wenn die Welt aber 'aus den Fugen geraten' ist und dahinter '­gewaltige tektonische Verschiebungen' stehen, wie Frank-Walter Steinmeier als damaliger Außenminister in einer Rede beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 2015 betonte, dann sind diese Krisen unbedingt aus einer Vielzahl von Blickwinkeln zu betrachten und zu analysieren - somit auch aus geopolitischer Perspektive. Nicht selten ist nämlich eine wesentliche Ursache von (militärischen) Konflikten in der Geografie begründet. Auch eine willkürliche Grenzziehung und die Gründung von 'Nationalstaaten' mit Menschen, die es nicht gewohnt waren oder sind, in einem Gebiet zusammenzuleben, ist alles andere als ein Rezept für Stabilität, wie man an vielen Staaten im Nahen Osten oder in Afrika sehen kann. An all diesen Beispielen wird eines deutlich: Geopolitik ist international betrachtet wieder en vogue. Sei es im Fall der Annexion der Krim durch Russland, die von China propagierte 'Neue Seidenstraße', ­Konflikte im Südchinesischen Meer, die Diskussion über die Gaspipeline 'Nord ­Stream 2' oder die Erschließung neuer Rohstoffquellen - immer spielen dabei auch geografische Faktoren und Rahmenbedingungen eine wesentliche Rolle. Schon Napoleon betonte einst, dass die Politik eines Staates in seiner Geografie geschehe. Geopolitik ist ein Begriff, der der breiten Masse der Bevölkerung zwar eher weniger bekannt sein dürfte, bei Medien und Politikern in Deutschland aber auch heute noch oft Ängste, Vorbehalte und Ablehnung auslöst, wird er doch gerne als Synonym für eine rücksichtslose und von Militär und Krieg geprägte Machtpolitik angesehen. Grund für diese negative Haltung ist eine Instrumentalisierung und ein Missbrauch der Geopolitik durch den Nationalsozialismus vor allem in Form der Forderung nach dem sogenannten 'Lebensraum im Osten'. Dadurch kam der Begriff der Geopolitik nach 1945 in Deutschland derart in Verruf, dass lange Zeit nicht einmal ansatzweise geografische Faktoren oder räumliche Rahmenbedingungen als eine wesentliche Entscheidungsgrundlage in politische Prozesse einbezogen wurden - verbunden mit fatalen Folgen. Denn wenn Geopolitik in weiten politischen Kreisen in Deutschland nach wie vor nicht salonfähig ist, dann ist es auch nicht verwunderlich, dass die Bundesrepublik international nicht ernstgenommen wird und deutsche Interessen - sofern sie formuliert werden - nicht durchgesetzt werden können. Selbst nach dem Ende des Kalten Kriegs tut sich das wiedervereinigte Deutschland mehr als schwer, auf außenpolitischer Ebene eigene Interessen klar zu definieren und auch offen auszusprechen, verbunden mit teilweise bizarren Konsequenzen, wie der Rücktritt des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler Ende Mai 2010 sehr gut veranschaulicht. Was war dafür der Anlass? Während eines Interviews auf dem Rückflug nach einem Besuch von Bundeswehrtruppen in Afghanistan äußerte Köhler auf die Frage eines Journalisten, ob das bestehende Afghanistan-Mandat ausreiche, weil Deutschland sich inzwischen in einem Krieg befände, oder wir ein klares Bekenntnis zu dieser kriegerischen Auseinandersetzung brauchten, oder einen neuen politischen Diskurs: 'Nein, wir brauchen einen politischen Diskurs in der Gesellschaft, wie es kommt, dass Respekt und Anerkennung zum Teil doch zu vermissen sind, obwohl die Soldaten so eine gute Arbeit machen. [] Wir kämpfen dort auch für unsere Sicherheit in Deutschland, wir kämpfen dort im Bündnis mit Alliierten, mit anderen Nationen auf der Basis eines Mandats der Vereinten Nationen, einer Resolution der Vereinten Nationen. [] Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg. [] Aber es wird wieder Todesfälle geben, nicht nur bei Soldaten, möglicherweise auch durch Unfall mal bei zivilen Aufbauhelfern. Das ist die Realität unseres Lebens heute, wo wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen: Es gibt Konflikte. Man muss auch um diesen Preis sozusagen seine am Ende Interessen wahren.' Letztlich drückte der damalige Bundespräsident nur das aus, was die Außenpolitik von souveränen Staaten kennzeichnet, nämlich die Artikulation und Verfolgung eben auch eigener Interessen und damit das Betreiben von Realpolitik, was nicht zwangsläufig in Form nationaler Alleingänge geschehen muss, aber in diesem Fall zu nicht nachvollziehbaren Reaktionen in weiten Kreisen der deutschen Öffentlichkeit führte. U.a. wurde ihm unterstellt, er befürworte Einsätze der Bundeswehr, die vom Grundgesetz nicht gedeckt seien. Die Linkspartei behauptete, der Bundespräsident befürworte 'Wirtschaftskriege', die Grünen forderten eine Rück...