"Sie hieß Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie ermordet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche."
Mit diesen Worten werden wir, die Leser*innen, aber vor allem die Protagonistin mitten hinein katapultiert in ... ja, in was eigentlich?
Die Botschaft, die auf einem, sorgfältig mit Steinen beschwerten, Zettel, mitten im Frühlingswald, steht, lässt ganz klassisch einen Krimi vermuten – wenn, ja wenn neben dem Briefchen auch wie angekündigt eine Leiche liegen würde. Doch von der fehlt jede Spur und auch sonst deutet nichts im Wald auf ein kürzlich geschehenes Verbrechen hin. Aber Vesta Guhl lässt das keine Ruhe.
Erst vor kurzem Witwe geworden und frisch in das kleine Städtchen irgendwo im Nirgendwo gezogen, lebt sie allein mit ihrem Hund Charlie, zu dem sie eine fast symbiotische Beziehung hat, in einem kleinen Haus direkt am Waldrand. Zunächst beunruhigt von einem Eindringling in "ihrem" Wald, kann sich Vesta bald der morbiden Faszination nicht erwehren und beginnt, mit detektivischer Präzision, sich eine Geschichte zu Magda, dem Brief und vor allem natürlich auch zu dem ominösen Verfasser desselben zu konstruieren.
Doch es wäre nicht Ottessa Moshfegh, würde sich das, was wie die harmlose Miss-Marple-Versuche einer älteren Dame beginnt, nicht ganz schnell in einen verstörenden Alptraum verwandeln, den William S. Burroughs und David Lynch nicht bedrohlicher hinbekommen hätten. Die wunderbare Autorin knüpft in ihrem lang ersehnten neuen Roman an ihre Vorgänger an und erschafft erst eine scheinbar normale Alltagswelt, in der plötzlich die Grenzen zwischen Realität und Irrsinn immer weniger greifbar sind und man auch als Leser*in nicht mehr weiß, was man nun glauben soll bzw. was zur Hölle hier eigentlich überhaupt gerade passiert.
Ein großes, abgründiges Lesevergnügen, das auch ganz ohne Blut und Leichenberge gegen jeden Krimi ankommt.
Eine Besprechung von Verena.