Ein Tipp von Verena:

Es ist der 05. August 1965. Marilyn Monroe stirbt an einer Überdosis Schlaftabletten. Nelson Mandela wird wegen unerlaubten Grenzübertritts verhaftet. Ein junges drogenabhängiges Mädchen taumelt blutüberströmt in die Notaufnahme des kleinen Krankenhauses in Trenton und gebärt, beobachtet nur vom jungen Billy Beal, der dort seine Sozialstunden ableistet, ein kleines Mädchen. Sie weiß, dass sie dem Kind nicht das Leben ermöglichen kann, das sie sich für ihre Tochter wünscht und verschwindet deshalb direkt nach der Geburt, lediglich eine Hals-kette mit Anhänger lässt sie als Talisman zurück. So beginnt das Leben der Cheri Matzner. 

Schnitt auf Solomon (Sol) und Cici Matzner, frisch verheiratet, sehr verliebt und kurz vor der Geburt ihres ersehnten ersten Kindes. Da passiert das Unsagbare: Cici erleidet eine Fehlgeburt und ist danach derartig verzweifelt, dass für Sol klar ist: Ein neues Kind muss her, und zwar schnell. Ein zwielichtiger Anwalt arrangiert eine illegale, unregistrierte Adoption und ein namenloses Mädchen findet neue Eltern. Cici, die begeistert und völlig vernarrt in die Kleine ist, gibt ihr den Namen Cheri, und Sol beginnt bereits, an seiner Entscheidung zu zweifeln, war doch “Cherie” bislang der ihm vorbehaltene Kosename. Schnell zeigt sich, dass seine Befürchtung zutrifft. Cici ist völlig auf ihr Kind fixiert und “ersetzt” Sol gewissermaßen durch die Tochter. 

Knapp 40 Jahre später treffen wir dann auf eine mittlerweile erwachsene Cheri, die auf den ersten Blick ihr Leben mühelos im Griff hat. Nach Jahren als Polizistin in New York City ist sie nun 
Dozentin für Linguistik und alte Sprachen und eine angesehene Expertin für Keilschriften. Doch Cheri ist ausgebrannt, ihre Mutter bombardiert sie mit Anrufen und versucht, ihr ein Leben auf-zudrängen, das ihrem eigenen gleicht, ihr vor 5 Jahren verstorbener Vater hat ihr zwar viel Geld, aber keine Liebe hinterlassen, da er ihr die “abgeworbene” Cici vorwirft und sie ihm lebenslang nicht gut genug sein konnte. Und in die Ehe zu dem 20 Jahre älteren Regisseur Michael haben sich Routine und Frust eingeschlichen. Verzweifelt versucht sie, die immer stärker werdende Leere in ihrem Leben zu füllen. Sie, die eigentlich nie Kinder haben wollte, beginnt nun, sich immer stärker danach zu sehnen, Mutter zu werden. Doch auch das will nicht gelingen, weshalb sie von Arzt zu Arzt pilgert, stark unter Druck gesetzt von dem gleichermaßen egozentrischen Team aus Mutter und Ehemann, denen sie versucht, gerecht zu werden. Doch wer kümmert sich eigentlich um Cheri? 

“Das wilde Leben der Cheri Matzner” ist eine wunderbare Mischung aus Familienroman, aber eben auch die Geschichte einer starken Frau, die plötzlich alles hinterfragen muss, um ihren wirklichen, selbstbestimmten Platz in der Welt zu finden. Ein liebevoller, melancholischer, komischer Roman, der mich mehr als einmal laut zum Lachen gebracht hat. Aber: Taschentücher bereithalten!