Aus dem Bayerischen Wald und aus Chicago

Geschichten, Gedichte und Briefe einer sanften Rebellin

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783865121561
Sprache: Deutsch
Umfang: 287 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 21.5 x 15.3 cm
Auflage: 1. Auflage 2018
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Klappentext hinten Die Bronzebüste der Dichterin, Gastwirtin und Emigrantin Emerenz Meier (*1874 in Schiefweg/Bayer. Wald + 1928 in Chicago/USA) wurde von der Bildhauerin Christine Wagner (Rotthalmünster) geschaffen und steht seit Oktober 2008 am Donaukai der Stadt Passau, beim Altstadthotel. Sie ist inzwischen zu einem markanten Wahrzeichen und touristischen Anziehungspunkt geworden. Passaus Gäste aus aller Welt, aber auch die Einheimischen gehen zumeist nicht unberührt an ihr vorbei. Emerenz Meier, so kann man mit Fug und Recht sagen, ist 90 Jahre nach ihrem Tod in Chicago wieder gut in Passau, dem Woid und ganz Bayern angekommen, wir haben sie integriert. Ihre wieder zugänglichen poetischen Werke, die vielen Berichte über sie in allen Medien, die ihr schon mehrfach gewidmeten Straßen- und Schulnamen, ihr wunderschön restauriertes elterliches Wirtshaus in Schiefweg/Waldkirchen und das darin befindliche hervorragend gestaltete Auswanderer-Museum Born in Schiefweg u. v. a. mehr - das sind gut sichtbare Zeichen der Präsenz einer Frau und Dichterin, die sich ihren verdienten Platz in unserer bayerischen Kultur- und Literaturlandschaft erobert hat. Aus Anlass ihres 90. Todestages am 28. Februar 2018 erscheint eine kleine, signifikante Buchausgabe der sanften Rebellin mit Geschichten, Gedichten und Briefen aus ihren beiden Leben, dem bayerischen und dem amerikanischen. Herausgegeben ist das Werk durch Hans Göttler, der sich seit den 1980er Jahren mit Leben und Werk von Emerenz Meier beschäftigt und u. a. ihre Gesammelten Werke beim Morsak Verlag ediert und viele Untersuchungen über sie vorgelegt hat. Die Passauer Künstlerin Eva Priller hat Göttler daher vor Jahren schon auf einer Collage als Biber - siehe Cover-Bild vorne - dargestellt, der in der Vergangenheit viel umgenagt hat, so dass der Weg der Dichterin auch im 21. Jahrhundert wieder frei wurde. Mit Hilfe der vorliegenden kleinen Emerenz-Buchausgabe sind Leben und Werk dieser außergewöhnlichen Frau und Schriftstellerin leicht zugänglich.

Leseprobe

Einführung des Herausgebers Emerenz Meier wurde am 3. Oktober 1874 in dem kleinen Dorf Schiefweg bei Waldkirchen (Unterer Bayerischer Wald) im Wirtshaus ihrer Eltern geboren. Die Eltern Josef und Emerenz Meier hatten das Anwesen im Frühjahr 1866 für 6800 Gulden erworben, es war - wie Paul Praxl erforscht hat - der sogenannte Restkomplex des schon zertrümmerten Fuchsenhofes (Schiefweg Haus Nr. 10, heute Dorfplatz 9), der nur mehr ca. zwölf Tagwerk Grund umfasste, jedoch eine reale Wirtsgerechtigkeit besaß. Emerenz war das fünfte Kind des Gast- und Landwirts Josef Meier (1837-1911) vom Hirschlehenhof in Manzenberg bei Büchlberg und seiner Frau Emerenz, geborene Raab (1835-1912), die aus dem Raabenhof im benachbarten Richardsreut stammte. Max Peinkofer, der 1954 ein Lebensbild der Dichterin verfasste und dem diese biographische Darstellung neben den Nachforschungen von Paul Praxl viel verdankt, schilderte den Vater Meier als aufrechten, kernigen und trinkfesten Mann, der als Vieh- und Güterhändler viel unterwegs gewesen sei; bei Paul Praxl erscheint Josef Meier als ein unruhiger Geist in einer unruhigen Zeit, stets Ausschau haltend nach einem Geschäft. Peinkofer kennzeichnete die Mutter als stille, eher versonnene Natur, Praxl schildert sie als gefühlvoll und arbeitsam. Emerenz, von Kindheit an Senz gerufen, lebte bis zu ihrem 17. Jahr im viel besuchten elterlichen Wirtshaus, beobachtete die Gäste genau und wuchs zu einem begabten und lebhaften Mädchen heran. Bei den damals noch üblichen größeren Raufereien im Gasthaus suchte sie nicht etwa verschreckt das Weite, sondern verblieb, wie Hans Carossa es schilderte, im Schlachtgetümmel und versorgte die lauten Kämpfer, die mit Bierkrügen aufeinander einschlugen, immer wieder mit neuer Munition, indem sie ihnen rasch unversehrte Trinkgefäße reichte. Eine kleine, geschwisterliche Rivalität bestand zur sieben Jahre älteren Schwester Petronilla, die ebenfalls recht gescheit und sehr energisch war. Petronilla dominierte als Älteste die jüngeren Geschwister Josef, Emerenz, Maria und Anna und war selbst eine leidenschaftliche Leserin und Schreiberin. Schon bald aber wurde sie darin von der jüngeren Schwester Emerenz weit übertroffen. Mit zehn Jahren las diese bereits Goethe, Schiller, Heine, Platen und andere Dichter, verschlang zahllose Romane, gute und auch eher triviale. Die kindliche Vielleserin suchte sich den umfangreichen Lesestoff in der ganzen Gemeinde zusammen. Große Teile der Dichtungen lernte sie zudem auswendig, z.B. Stücke aus den Homerischen Epen Ilias und Odyssee sowie aus Dantes Göttlicher Komödie. Nebenbei befasste sie sich gerne mit heimischen Sagen und Sternkunde. Emerenz begann in ihrer Schulzeit - seit 1881 bei den Englischen Fräulein in der Volksschule Waldkirchen - auch bereits selbst mit dem Schreiben. Sie verfasste insgeheim kleine Geschichten und Verse und schrieb außerdem Gelegenheitsgedichte auf Bestellung. Die Meier-Eltern waren darüber alles andere als erfreut und rügten scharf die narrische Verslmacherei der Tochter. Emerenz beschrieb die ablehnenden Reaktionen ihrer Eltern später in ihrem Gedicht Unverbesserlich. Sie wollten keine Tochter, die über den einfachen Stand, in den sie hineingeboren war, hinauswuchs. Die Verbote der Eltern fruchteten bei der selbstbewussten und eigenständigen Tochter aber nicht, sie schrieb einfach weiter und machte die Situation der jungen, weiblichen Dichterin in einer illiteraten Gesellschaft schon bald zu einem Leitthema ihrer Lyrik. Ein anderes solches Leitthema wurde für sie schon früh die soziale Ungerechtigkeit auf dieser Welt. Auch hier waren die eigenen Erfahrungen in der Heimat das auslösende Moment. Vor allem die in der Schule zu ertragenden Ungerechtigkeiten machten ihr schwer zu schaffen. Sie war zwar eine der besten Schülerinnen der Waldkirchener Schule, die Kinder wohlhabenderer Eltern aber wurden von den klösterlichen Lehrerinnen vorgezogen, eine Tatsache, die sie viele Jahre später noch in ihren Briefen anklagend erwähnte und die ihre Schwester Maria einmal zu folgender Briefbeilage, datiert Chicago 23. Sept. 1921, veranlasste: An die hochwürdigen Schwestern der engl. Fräulein Schule in Waldkirchen! Meine Schwester Mary Jacklin in Chicago läßt die würdigen Schwestern herzlichst bitten, die durch Frau Unertl übermittelten Sachen für die Suppenanstalt zu verwerten in der Weise, daß alle armen Kinder ohne Unterschied der Religion und des politischen Bekenntnisses ihrer Eltern davon bekommen. Die guten, sowohl wie die unartigen Kinder. Ja gerade letztere sollen bevorzugt werden, nicht um sie zu belohnen, sondern sie durch Güte zu bessern und froh zu machen. Denn die Menschen werden nicht boshaft geboren, sondern werden durch ungerechte Behandlung bös gemacht. Das war auch die Meinung der Emerenz, die um diese Zeit aber schon etwas diplomatischer mit dem leidvoll erfahrenen Thema umgehen konnte, wie ihrer Vorbemerkung zu dieser Briefbeilage zu entnehmen war: Liebe Gustie ich lege nach Maries bestimmtem Willen zwar den Zettel bei, aber wenn Du denkst, daß er beleidigend und unnötig ist, übergib ihn nicht. Wir haben durch neunjahrlangen Schulbesuch die Klosterhexen zwar genügend kennengelernt u. wissen, daß sie selbst milde Gaben als Ruten benutzen für jene, die nicht nach ihrem Gusto sind. Aber man darf nicht immer seinem Sinn folgen, will man nicht manches noch schlimmer machen. In Amerika wird man sehr eigenwillig und rücksichtslos u. selbstsicher. Man mußte eben zu viel durch machen. Und man lernte alle Religionen bitterlich hassen als der Menschheit schlimmste Feinde. Ihr kritischer, leicht aufmüpfiger, aber stets wacher Geist hatte sich in der Waldheimat immer wieder auch bei ihrer Mitarbeit in Haus und Hof gezeigt, als Kellnerin, Magd und vor allem als Hüterin. In ihrem Erzählfragment Die Gänse etwa schafft sie es hervorragend, sich als Gänsemagd in die Psyche ihrer Schutzbefohlenen hineinzuversetzen und ökologisches Bewusstsein in Abgrenzung von der traditionell denkenden Umwelt aufzubauen. Diese Zeilen vermitteln dem heutigen Leser aber auch einen guten Eindruck davon, wie hart und kalt dieses arbeitsreiche Leben im Wald damals war, gerade auch für die Kinder, die bei Ungehorsam oder auch nur Ungeschicklichkeit verbale und körperliche Gewalt der Eltern, Geschwister und der anderen Dorfbewohner in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft zu gewärtigen hatten. Das Hüten bot ihr aber schon früh auch die Möglichkeit, aus der rauen Alltagswelt zu entfliehen. Da konnte sie lesen, sinnieren, nachdenken und träumen, vielleicht auch die eine oder andere Zeile schreiben. In dieser Wunsch- und Traumwelt, mitten in der friedvoll schönen Waldgebirgslandschaft, konnte sie eins sein mit der ganzen Natur, der Tier- und Pflanzenwelt, sie war da - wenn auch nur für einige Augenblicke - des freien Waldes freies Kind, in Erwartung der Sonnenbraut am Morgen. Die dörfliche Wirklichkeit dagegen sah oft anders aus. Im Jahre 1890 übernahm die älteste Schwester Petronilla mit ihrem Bräutigam Georg Maier das elterliche Anwesen in Schiefweg. Der Vater Josef Meier erwarb nun 1891 einen Bauernhof im benachbarten Oberndorf (Gemeinde Stadl), zu dem 52 Tagwerk Grund und zehn Stück Großvieh gehörten. Die harte bäuerliche Arbeit wurde mehr, die karg bemessene Freizeit war dem Lesen, Schreiben und Studieren vorbehalten, jetzt allerdings in einem kleinen, geliebten Dichterstüberl, einem eigenen, kleinen Raum, der ihr im Austragshaus des Hofes überlassen wurde. Das eigene Dichterstüberl symbolisierte dabei fast so etwas wie einen gesellschaftlichen Aufstieg der Emerenz, wie überhaupt dieses Jahrzehnt 1890-1900 zu den guten Jahren der jungen Waldlerin zählte. Im Sommer 1893, vielleicht während der Festspielaufführungen am Karoliberg in Waldkirchen, entwickelte sich für die noch nicht 19-Jährige eine wichtige persönliche Beziehung, ihre Bekanntschaft und Freundschaft mit dem gleichaltrigen Studenten Ludwig Liebl, einem gebürtigen und dort aufgewa...